Die Kirche in Wentdorf

Kirche in Wentdorf
Altar der Ev. Kirche Wentdorf

Die kleine Fachwerkkirche in Wentdorf war einst der Mittelpunkt eines alten Rundlingdorfes, dessen ursprüngliche Strukturen noch zu erkennen sind. Sie wurde 1663 als Saalkirche erbaut. Der hölzerne Glockenturm ist im 18. Jahrhundert angebaut und nach der Zerstörung durch einen Kugelblitz im Jahr 1954 wieder aufgebaut worden.

Der Altar (von 1682) und die Kanzel sind aus der Zeit der Spätrenaissance. Das Altargemälde zeigt eine Abendmahlsdarstellung. Die Kirchenbänke von 1664 haben eindrucksvolle Bankwangen, deren schlichte Schönheit nach der Aufarbeitung der Bänke wieder richtig zum Tragen kommt.

In mehreren Bauabschnitten ist die Kirche in den Jahren 1999, 2005 und 2006 außen und innen umfassend saniert und renoviert worden.

Text: © Lukas Verlag

Turmsanierung

Im September 2018 wurde der Kirchturm bis zur Spitze eingerüstet und die alte Kugel abgenommen.

Bei der Öffnung gab es dann eine große Überraschung. „Da kamen zwei mit Schreibmaschine geschriebene Seiten sowie 26 Fotos zum Vorschein, und alles war unversehrt!“ erzählte der Kirchenälteste Gordon Fähling. Aufgeschrieben am 6. Februar 1959 vom damaligen Pfarrer Gleiniger:

„Seit dem 1. September 1957 bin ich, der Schreiber dieser Zeilen, Pfarrer in dem Pfarrsprengel Cumlosen, zu dem auch unsere Filiale Wentdorf gehört. Ich stamme aus Lenzen an der Elbe, und schon bevor ich in diese Stelle berufen wurde, konnte ich sehen, wie traurig es mit der Kirche stand... es mangelte an Geld und Material... 1954 sollte er dann aber doch mit einem neuen Schieferdach versehen werden. Dann aber schlug am 21. Juni der Blitz in den Turm ein, und wieder war alle Vorarbeit vergeblich gewesen. Ich lege einige Fotografien davon ein in diese Kapsel... vielleicht halten sie sich und bleiben für einen späteren Betrachter erkennbar.“

Nun folgen Beschreibungen der Schwierigkeiten, die die Kirchengemeinde damals hatte. Zwar musste die Versicherung für die Finanzierung eintreten, aber die Cumlosener Pfarrstelle war vakant. Pfarrer Skodda aus Wittenberge gelang es dann, „nach langen und schwierigen Verhandlungen mit dem Rat des Kreises Perleberg“ einen Bezugsschein für Bauholz zu bekommen, „denn in unserer Zeit kann man kein Holz frei kaufen, und selbst die Bauern unserer Gemeinde, die Wald besitzen, brauchen erst eine Genehmigung, wenn sie einen eigenen Baum fällen wollen.“

Doch damit nicht genug. Inzwischen war der Turm derart marode, dass er abgerissen werden musste. Und nach einer neuen Bestimmung durfte Zimmermeister Jennrich aus Wittenberge die Bauzeichnung nicht mehr anfertigen, nur noch staatliche Baubüros sollten das machen. „Herr Jennrich setzte sich mit einem Architekten in Wittenberge in Verbindung, doch eines Tages zeigte sich, dass dieser Mann nach Westdeutschland geflohen war.“

Da gab es dann nur noch das mit Aufträgen überlastete VEB Entwurfsbüro für Hochbau, „und da lernte ich Herrn Grünwald kennen, der dort als Bauingenieur tätig war und der in seiner Freizeit die Bauzeichnung und die statische Berechnung für den Turm anfertigen wollte.“ Aber auch dazu war eine Genehmigung erforderlich, die erst nach einigen Monaten kam, „und kaum einer in der Gemeinde glaubte noch daran, dass kaum jemals die Glocken zu einem Gottesdienst rufen würden, aber in jedem Gottesdienst beteten wir für unser Gotteshaus.“

Am 22. Dezember 1958 konnte endlich die Richtkrone auf den neuen Turm gesetzt werden. „Es war das zweitbeste Weihnachtsgeschenk für die Gemeinde, wie Pfarrer Skodda sagte, denn das beste ist ja unser Herr Jesus Christus.“ Und nach der Aufzählung der am Wiederaufbau beteiligten Handwerker kommen noch einige Gedanken des Geistlichen: „Wir leben ja in einer Zeit, in der es nicht mehr selbstverständlich ist, dass man an Jesus Christus glaubt. Der Staat ist betont atheistisch und materialistisch. Er behindert auf manche Weise die Arbeit der Kirche. Die Kinder christlicher Eltern haben es schwer, weil sie in der Schule etwas anderes lernen sollen ... und ohne Jugendweihe darf kein Kind eine Lehrstelle bekommen oder eine höhere Schule besuchen, obwohl nach der DDR-Verfassung alle Bürger gleich sind.“ Und nun kam das Fazit: „Unser Turm soll ein Zeichen sein, dass Gottes Reich durch kein Reich dieser Welt ausgelöscht werden soll.“

Diese Dokumente wurden in einer neuen Kapsel der Kugel beigegeben. Dazu kam noch eine zweite, im Beisein der Gäste sorgsam zugelötete Dose, der einige Tageszeitungen und die beiden Schriften „Engelsbote“ sowie „Die Kirche“, etliche Münzen und ein Stick sowie wiederum ein Schreiben beigegeben worden waren. Und hier las Gordon Fähling vor: „Seit dem 23.01.2008 bin ich, der Schreiber dieser Zeilen, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates Cumlosen/Wentdorf.“ Es folgen Beschreibungen des Pfarrsprengels und der Sanierungen an der Kirche. Und dann heißt es: „Ich lege in diese Kapsel aus Kupfer einige Fotos von außen und innen bei, in der Hoffnung, dass sie bei der nächsten Öffnung noch zu erkennen sind. Am heutigen 30. November um 11.00 Uhr wurde durch die Blechwerkstatt Weber aus Saarmund die neue vergoldete Kugel und das alte, schmiedeeiserne vergoldete Kreuz auf dem Turm aufgebracht. Unsere Kugel ... zeigt, dass wir auch die schwierigen Zeiten, die der Schreiber des Briefes von 1959 beschreibt, überstanden haben. Im nächsten Jahr feiern wir 60 Jahre neuer Kirchturm und 355 Jahre Kirche in Wentdorf. Die neue Bekrönung kam also zur rechten Zeit.“