Aufbau der Ausstellung „Grüfte – Särge – Totengedenken“ in der Dorfkirche Groß Werzin
Die 2021 geplante ständige Ausstellung zur märkischen Sepulkralkultur (Bestattungskultur) konnte Dank Fördermitteln aus der Maßnahme Kirchturmdenken und mit Unterstützung des Kirchlichen Bauamtes sowie der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Prignitz in einem ersten Schritt realisiert werden.
Sie besteht aus einer einführenden Wandtafel, einer Eckstellwand zur Geschichte der märkischen Bestattungskultur, zwei Objektvitrinen, fünf Handblättern zur Geschichte der Dorfkirche und ihrer Ausstattung sowie einem Faltblatt und einem Außenaufsteller. Das inhaltliche und gestalterische Konzept, der Großteil der Texte und Fotos sowie die Layouts stammen von der Kuratorin Frau Dr. Müller-Pfeifruck aus Berlin. Umsetzung und Aufbau der Ausstellung erfolgten durch die Vitrinen- und Glasbau REIER GmbH.
In einem nächsten Schritt sollen 2022 zur Vervollständigung der Ausstellung ein bauzeitlicher Pultständer sowie der überwiegende Teil der Gedächtnismale in der Kirche restauriert werden: 17 von 35 Totenkronenbrettern, eine Totenkrone, zahlreiche Fragmente von Totenkronen, zwei Kriegergedächtnistafeln und eine Urkunde von 1870/71.
Die Sanierung der Dorfkirche wird noch in diesem Jahr angestrebt.
Grüfte – Särge – Totengedenken Ständige Ausstellung zur märkischen Sepulkralkultur in der Dorfkirche Groß Werzin
Die Kirchengemeinde hatte 2021 für eine ständige Ausstellung zur märkischen Sepulkralkultur einen Antrag beim Soforthilfeprogramm „Kirchturmdenken. Sakralbauten in ländlichen Räumen: Ankerpunkte lokaler Entwicklung und Knotenpunkte überregionaler Vernetzung" eingereicht. Die Beschreibung des Konzeptes der Kuratorin Dr. Sylvia Müller-Pfeifruck können Sie hier nachlesen:
Die barocke Fachwerkkirche in Groß Werzin/Lkr. Prignitz bildet den Mittelpunkt eines kleinen Runddorfes mit teilweise noch historischem Gebäudebestand. Ihre Sanierung ist in Planung. Das Gotteshaus wird kaum noch kirchlich genutzt. Es soll daher als Themenkirche das Besucherinteresse wecken. Sein reicher Bestand an Denkmälern und Relikten einer vergangenen Bestattungskultur hat die Idee angeregt, in ihm die Geschichte der Sepulkralkultur der Mark Brandenburg in einer ständigen Ausstellung vorzustellen.
Die Kirche weist mit 35 Totenkronenbrettern, einer Totenkrone und zahlreichen Fragmenten von Totenkronen einen der umfangreichsten Bestände an Denkmälern des Totenkronenbrauchs im Land Brandenburg auf. Insbesondere in der Prignitz ist dieser Bestand ein Alleinstellungsmerkmal, da hier nur noch wenige dieser einst in jeder Kirche in großer Zahl vorhandenen Zeugnisse erhalten sind. Seit der frühen Neuzeit wurde in vielen Ländern Europas das Begräbnis unverheiratet Verstorbener als Ersatz- und Himmelshochzeit gestaltet. Den zu früh Gegangenen wurden eine oder mehrere Totenkronen gewidmet. Zunächst gab man diese mit ins Grab. In der Barockzeit ging man dazu über, die Totenkronen zur Erinnerung in den Kirchen auszustellen. Für ihre Präsentation fertigte man gern Konsolbretter oder verglaste Kästen an. Diese erhielten meist Aufschriften mit Namen und Lebensdaten. Die Groß Werziner Kronenbretter sind Kindern der einfachen Bevölkerung gewidmet, die zwischen 1827 und 1870 verstarben. Sie schmückten einst das Kirchenschiff mit ihren bunten Kronen, von denen lange Seidenbänder herabhingen. Als der Brauch im Ort abstarb, brachte man die Kronenbretter und einige Totenkronen auf den Dachboden. Sie befinden sich in einem schlechten Erhaltungszustand. Nach ihrer Restaurierung sollen sie wieder im Kirchenraum präsentiert werden, um einen Eindruck von ihrer einst raumbeherrschenden Wirkung und der einstigen Bedeutung dieses Brauches zu vermitteln, der beitrug, die enorm hohe Kindersterblichkeit in der Vergangenheit gemeinschaftlich im Rahmen des evangelischen Kirche zu bewältigen.
In Groß Werzin sind auch drei Denkmäler des Kriegergedächtnisses erhalten geblieben, das im 19. und 20. Jahrhundert in die Kirchen einzog, deren Atmosphäre maßgeblich mitbestimmte und das kollektive Gedenken prägte. Es handelt sich um zwei Tafeln für die Gefallenen der Befreiungskriege und des Ersten Weltkriegs sowie eine Urkunde für die Verleihung einer militärischen Gedenkmedaille für 1870/71, die heute eine Rarität darstellt. Auch diese drei Objekte sollen nach ihrer Restaurierung Teil der Ausstellung sein.
Als Drittes besitzt die Kirche eine Gruft, in der sich zahlreiche Särge des 18. Jahrhunderts befinden. Seit dem Mittelalter und besonders nach der Reformation ließ sich die Oberschicht in den Gotteshäusern als privilegiertem Bestattungsort beisetzen. Die einfache Bevölkerung hatte mit Gräbern auf dem Kirchhof und später dem Friedhof vorlieb zu nehmen. Mit den Totenkronen ihrer Kinder und den Kriegergedenktafeln gelang es ihr jedoch, sich in den Kirchen ein Denkmal zu setzen.
Am erhaltenen Bestand und mittels der Ausstellung soll dargestellt werden, dass Kirchen bis ins 20. Jahrhundert hinein auch Orte der Bestattung und des Gedächtnisses waren. Dieses Wissen ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Tod, Sterben und Erinnerung wurden immer mehr aus dem kollektiven Bewusstsein in den privaten Bereich verdrängt. Heutige Betroffene sind damit allein gelassen. Sie zeigen sich vielfach verunsichert im Umgang mit dem Thema. Die Ausstellung in der Dorfkirche Groß Werzin will durch die Information über die Vergangenheit auch Anregungen und Hilfestellung bei der Bewältigung des Verlustes eines geliebten Angehörigen heute geben.
Für Konzeption und Ausstellung kann bereits auf ein wissenschaftliches Gutachten zu den Denkmälern des Totenkronenbrauchs mit Bestandserfassung von 2019 zurückgegriffen werden. Für die Kriegergedächtnismale in den Kirchen der Prignitz liegt eine wissenschaftliche Publikation von 2020 vor. Desweiteren werden die Ergebnisse der Untersuchung der Gruft und ihrer Särge durch Fachleute einbezogen. Zu leisten sind noch eine Kunstguterfassung und Archivrecherchen zur Bau- und Ausstattungsgeschichte der Kirche.
Grobkonzept
Vorgesehen ist eine Wiederanbringung bzw. Präsentation der Totenkronenbretter und der Kriegergedächtnistafeln in der Kirche Groß Werzin. Die Totenkrone und die Totenkronenfragmente sowie die Urkunde sind in einer Tischvitrine auszustellen. Dafür ist Ausstellungstechnik einzuplanen. Die Denkmäler müssen restauriert werden, bevor sie präsentiert werden können.
Anhand der Ausstellung sollen in Wort und Bild vorgestellt werden:
a) die Geschichte der märkischen Sepulkralkultur
b) die Bau- und Ausstattungsgeschichte der Dorfkirche Groß Werzin
c) die Zeugnisse der Sepulkralkultur in der Dorfkirche Groß Werzin
d) der Umgang mit Tod, Sterben und Gedächtnis heute in der ev. Kirche