Wort zur Woche
von Dr. Elisabeth Hackstein
Singet dem Herrn ein neues Lied...
„Singet dem HERRN ein neues Lied; denn er tut Wunder“, heißt es in den Psalmen. An Wunder mag man glauben, wenn die Natur auflebt und uns aufleben lässt und die Bäume mit grüner Blätterpracht einkleidet. Und es tut uns gut, wenn die Sonne mit ihrer Wärme die letzten Reste der Winterkälte aus unseren Körpern vertreibt und die Natur unsere Sinne mit Farben, Düften und Vogelgezwitscher verwöhnt.
Aus meiner Kindheit, in der die Eltern mit der achtköpfigen Kinderschar gerne gesungen haben, begleiten mich viele Frühlingslieder. „Komm, lieber Mai, und mache die Bäume wieder grün und lass mir an dem Bache die kleinen Veilchen blühn! Wie möchte ich doch so gerne ein Veilchen wieder sehn, ach, lieber Mai, wie gerne einmal spazieren gehn!“ Dieses Sehnsuchtslied kam mir besonders aus dem Herzen, verhieß der Mai doch nach der Winterzeit im Hause mehr Freiheit mit Spielen im Garten und Ausflüge an die nahe Ems. Da lag für uns Kinder ein Hauch von Abenteuer in der Luft. Und das galt doppelt, wenn wir singen konnten: „Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus. Da bleibe wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus. Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt, so steht auch mir der Sinn in die Weite, weite Welt.“
Gott zu loben für die Wohltaten, die er uns jedes Jahr aufs Neue schenkt, das haben mir meine Eltern mit Liedern mitgegeben. Und in guter alter Glaubenstradition lehren uns die Psalmen, die wir mit dem Judentum teilen, das Lob der Schöpfung: „Lobe den HERRN, meine Seele! … Du lässest Brunnen quellen in den Tälern, dass sie zwischen den Bergen dahinfließen, dass alle Tiere des Feldes trinken und die Wildesel ihren Durst löschen. Darüber sitzen die Vögel des Himmels und singen in den Zweigen. Du tränkst die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte, die du schaffest. Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst, dass der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz glänze vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke.“
Singen ist wichtig, das wusste auch Martin Luther. An ihn denken wir in diesem Jahr zum des 500. Reformationsjubiläums. Luther schätzte den Gesang, er selbst hat leidenschaftlich gern und gut gesungen, so gut, dass ihn der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs einmal die „Wittenbergische Nachtigall“ nannte.
Luther wird der schöne Satz zugeschrieben: „Wer singt, betet doppelt.“ Den Erfolg bei Gott hat er damit nicht gemeint. Ob wir ein Gebet sprechen oder singen, es erreicht gleichermaßen Gottes Ohr. Aber das gesungene Gebet hat seine eigene Wirkung bei uns Menschen. Das Singen reißt uns mit, es spricht den Geist an mit Worten und erfrischt und erfreut die Seele mit Melodien. Wer singt, betet doppelt und erfährt die Kraft, das eigene Leben nicht von seinem Sorgen bestimmen zu lassen, weil unsere Ängste und Nöte bei Gott gut aufgehoben sind.
Das gilt natürlich auch, wenn wir von Freude und Dankbarkeit singen. Gott ist unser Adressat in guten wie in schweren Tagen. Dass er uns hört, ist seine Gnade. Und dass er uns erhört und beisteht, das ist seine Barmherzigkeit. Und deshalb können wir mit den Psalmen jubeln: „Ich will singen von der Gnade des Herrn ewiglich und seine Treue verkünden mit meinem Munde für und für.“
Dr. Elisabeth Hackstein, Prädikantin und Konventualin des Klosters Stift zum Heiligengrabe, Heiligengrabe.
Einen Kommentar schreiben