Wort zur Woche
von Pfr.i.R. Johannes Kölbel
Da blüht uns was
Die Apriltage waren zu warm. Die Obstbäume bekamen Lust zum Blühen. Ich bekam Lust, die Blumenkästen zu bepflanzen. Und dann das: Die Nächte Anfang Mai waren bitter kalt, mit Temperaturen unter -5 Grad Celsius. Kälteschock! Die einmal aufgegangenen Kirschblüten können nicht einfach einen Rückzieher machen. Sie können sich nicht wieder, einfach mal so, verschließen. Erfroren? Die Ernte futsch? Obstbauern bangen um ihre Existenz.
Einmal aufgegangen heisst für die Blüte: schutzlos zu sein. So erlebe ich das ähnlich bei mir. Wenn ich mich zu früh öffne, wenn ich mich schnell zeige, das Innere nach Außen kehre, so werde ich verletzbar. Ich kann dann nicht einfach sagen: „April, April.“ Ich muss zu dem stehen was ich gesagt und getan habe. Ich habe mich „nackig“ gemacht und nun werde ich daran gemessen. Aber was, wenn ich mich ständig verstecke, wenn ich keine Schwachstellen zeige und immer den „dicken Max“ mache? Dann geht es mir nicht gut. Andere verschließen sich dann auch. „Schotten dicht“ heißt der Anfang vom Ende: Kleinkrieg im Büroteam, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde, in der Schulklasse, Bürgerkrieg und Krieg der Nationen. Leben heisst sich zeigen, angreifbar aber auch berührbar machen. Und nur so kann dann auch Respekt und vielleicht sogar Liebe entstehen. Menschen sind wie Blüten: empfindlich, schön und vergänglich. Ich habe mir einen Mandelbaum gekauft. Zu spät! sagt der Gärtner: schon verblüht. Na ja, sage ich mir, stimmt, aber er blüht ja später wieder.
Der Jude Schalom Ben Chorin hat mitten im 2.Weltkrieg, 1942, die folgenden Worte geschrieben: „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt? Dass das Leben nicht vergeht, so viel Blut auch schreit, achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit...“ Das Schöne im christlichen Glauben ist, so finde ich, dass das Blühen und das Sterben im Leben eingerechnet sind, dass eine Wiedergeburt von Gott vorgesehen ist und dass aus einem Baumstumpf, aus einer „geköpften“ Weide, neue Triebe sprossen können. Lasst es uns mit Martin Luther sagen und tun: einen Apfelbaum pflanzen, auch wenn wir meinen die Welt würde gleich untergehen.
Mein Gebet gilt den Obstbauern in ihrer Not. Als Verbraucher will ich bereit sein, auch einen höheren Preis für den Apfel und die Kirsche aus der Region zu zahlen.
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