Wort zur Woche
von Pfarrer Daniel Feldmann
O dass ich tausend Zungen hätte
Die Zunge ist ein wie ich finde ganz wichtiges Organ. Wir benötigen sie zum Essen, zum Schmecken oder Küssen. Die Zunge steht aber auch für etwas ganz anderes, nämlich das Reden an sich. Zu diesem Thema gibt es eine Vielzahl von Sprichwörtern oder sprachlichen Bildern. Wer eine schwere Zunge hat, hat Probleme beim Reden. Das kann durch Krankheiten, Lähmungen so sein oder auch durch überhöhten Alkoholkonsum. Eine schwere Zunge ist etwas Furchtbares. Denn wir haben Schwierigkeiten unsere Welt mit anderen zu teilen. Eine schwere Zunge kann etwas Schlimmes sein, das gilt aber auch für eine schnelle Zunge. Menschen, die zuerst sprechen und dann denken, wird häufiger nachgesagt, dass sie ihr Herz auf der Zunge tragen. Das kann mitunter gefährlich sein. Doch eigentlich ist das ja ganz liebenswert. Kindern wird nachgesagt, dass sie immer die Wahrheit sagen. Kindermund tut Wahrheit kund.
Das Evangelische Gesangbuch enthält ebenfalls Lieder, die von der Zunge sprechen. Allerdings wird sie da zum Lobe Gottes eingesetzt. Das bekannteste Lied zu diesem Thema heißt: „O dass ich tausend Zungen hätte“. Dieses Lied stammt aus dem Jahr 1704 und wurde von Pfarrer Johann Mentzer geschrieben. Die erste Strophe lautet folgendermaßen:
O dass ich tausend Zungen hätte / und einen tausendfachen Mund,so stimmt ich damit um die Wette / vom allertiefsten Herzensgrund ein Loblied nach dem andern an / von dem, was Gott an mir getan.
Wenn man das Lied so liest und singt, könnte man denken, der Liederdichter hätte im Lotto gewonnen und müsste die Welt umarmen. Doch das Gegenteil war der Fall. Im Jahr 1704 ereilte Johann Mentzer ein schreckliches Schicksal. Sein Haus brannte ab und er verlor sein Hab und Gut. In dieser schweren Stunde, so deute ich das, wollte der fromme Pfarrer nicht den Kontakt zu Gott verlieren. So weitete er den Blick von seinem privaten Elend zu Gottes herrlicher Schöpfung. Als er das tat, wurde ihm offenbar das Herz ganz weit und leicht. So konnte er jubeln und dankbar sein. Er konnte Trost finden in einer Hoffnung, die über den momentanen Verlust hinausgeht. Diese wunderbare Verwandlung wünsche ich uns allen immer und immer wieder. Denn wir leben durch den Geist Gottes, der uns immer wieder mit Gnade, Barmherzigkeit und Dankbarkeit erfüllt.
Daniel Feldmann
Pfarrer von Bad Wilsnack und amtierender Superintendent des Kirchenkreises Prignitz
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