Wort zur Woche
von Pfarrer Daniel Feldmann
„Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerszeit“
Nur wenige Kirchenlieder sind so eng mit dem Sommer verbunden, wie dieses Lied aus der Feder des bekannten Kirchenliederdichters Paul Gehrhardt. „Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide“ Nur wenige Lieder können die Schönheiten von Gottes herrlicher Schöpfung so plastisch in Worte fassen. Doch warum möchte sich der Autor in die Natur begeben? Warum sucht sein Herz nach Freude?
Eine Antwort auf diese Fragen ergibt sich aus der Biographie von Paul Gerhardt. Das Lied: „Geh aus mein Herz, und suche Freud“ schrieb er im Jahr 1553. Fünf Jahre war der 30jährige Krieg gerade erst vorbei. Seine Schrecken steckten den Menschen noch in den Gliedern. Nahezu jede Familie war betroffen von Tod, Folter und Unterdrückung. Zu allem Überfluss wüteten auch Seuchen und Krankheiten in den Orten. Bis zum Ende des Westfälischen Krieges im Jahr 1648 waren 40% der Gesamtbevölkerung umgekommen. Ganze Ortschaften lagen brach und mussten wieder aufgebaut werden. Paul Gerhardt war von diesen Schrecken ebenfalls persönlich betroffen. Sein Bruder stirbt in diesen Jahren an der Pest, die Heimat Paul Gerhardts, sein Geburtsort Gräfenhainichen, wird im Krieg dem Erdboden gleichgemacht.
Paul Gerhardt hat viel menschliches Elend gesehen: kranke Kinder, hungernde Familien, Menschen ohne ein Dach über dem Kopf, Folter und Grausamkeiten von Soldaten. Wenn man all das hört und bedenkt, dann ist die Suche Paul Gerhardts nur allzu verständlich. Er gibt uns ein einfaches Rezept mit auf den Weg. Ein Spaziergang kann Wunder wirken, angesichts von Wut und Niedergeschlagenheit. Ein Spaziergang kann unsere kleine, enge Welt plötzlich größer machen. Neben den großen Problemen unserer Zeit und den Sorgen des Alltags gibt es so viel Schönes in Gottes herrlicher Schöpfung zu entdecken. Es ist eine Suche nach Gott dem Schöpfer aller Dinge. Es ist eine Suche nach Sinn. Eine Form dieses Suchens ist das Pilgern.
Jedes Jahr begeben sich 1000 Menschen auf eine Pilgerreise nach Bad Wilsnack. Menschen machen sich auf den Weg und erhoffen für sich Veränderung. Das Laufen, das Gehen, das Gebet in freier Natur soll Kräfte freisetzen. Die Beschäftigung mit den eigenen Gedanken Sinnsuche soll ermöglichen. Die Hektik, die Überflutung mit Nachrichten und Neuigkeiten wird reduziert. Entschleunigung ist hier das Schlagwort. Wenn ich mich auf die Langsamkeit des Laufens einlasse, verändert sich die Wahrnehmung. So sause ich nicht immer nur an allem vorbei. Auf diese Weise kann ich Details wahrnehmen. Ich entdecke einen interessanten Baum oder einen bunten Käfer. Ich kann eine Verbindung aufnehmen zu Gottes herrlicher Schöpfung. Ich kann mich mit Gott und den Menschen eins fühlen.
Daniel Feldmann
(Pfarrer in Bad Wilsnack und amtierender Superintendent des Kirchenkreises Prignitz)
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