Wort zur Woche
von Pfarrer Christian Gogoll
„...auf Händen getragen...?“
Ein sehr beliebter Spruch aus der Bibel, speziell aus den Psalmen ist Folgender: „Denn er (Gott) hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ (Ps. 91,11f) Er passt hervorragend zu Taufen, Konfirmationen; etc. Am Anfang des Lebens, oder wenn Menschen einen neuen Lebensabschnitt beginnen, ist dieses Psalmwort gut geeignet. Aber auch zum Ferienbeginn und in der Urlaubszeit entspricht er unseren Wünschen und Vorstellungen von einer erholsamen und unbeschwerten Zeit.
Es ist kein Wunder, dass dieser Spruch so beliebt ist. Er drückt in knappen Worten und schönen Bildern das aus, was wir uns füreinander und für uns selbst natürlich im Innersten wünschen. Unversehrtheit, Gesundheit, Glück und Lebensfreude, kurzum ein unbeschwertes Leben in Glück und Wohlstand. Wir wüschen uns, dass uns jemand die Steine aus dem Weg räumt und für uns die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holt. Und das Bild, dass wir auf Händen getragen werden, vermittelt Geborgenheit und Wärme.
Doch diese Vorstellungen vom Leben sind trügerisch. Die Werbung in allen Medien suggeriert dieses Bild in uns, und so verfestigt sich eine idealisierte Auffassung des Lebens. Das Glück wird reduziert auf Gesundheit, Schönheit und Wohlstand.
Was ist, wenn das Leben nicht immer glatt läuft; wenn es mit der Arbeit und der damit verbundenen finanziellen Unabhängigkeit nicht klappt; wenn wir die abverlangte Leistung nicht mehr erbringen können; wenn uns eine schwere Krankheit aus der Bahn wirft; wenn wir uns von geliebten Menschen trennen müssen...?
Das sind Fragen, denen wir uns nicht freiwillig stellen mögen. Wenn aber Fall eintritt, sind wir ratlos. Ist uns das Glück abhanden gekommen? Hat uns Gott verlassen? Haben uns die Engel fallen lassen?
Nein, das haben sie nicht. Der Psalmdichter ist der Letzte, der uns eine idealisierte Sicht des Lebens einreden will. Allzu gut kennt er selbst die Brüche, die es im Leben geben kann und geben wird. Das erfahren wir aus dem gesamten Psalm 91. Er kennt schwere Krankheit, er kennt Feinde, die ihm nach dem Leben trachten, er kennt die lähmende Angst, er kennt Not und Verzweiflung. Das sind nur einige Steine, an denen auch wir uns stoßen können. Doch er macht eine Erfahrung, die entscheidend für sein Leben ist. Die Erfahrung, dass Gott ihm aus der Not geholfen hatte, dass Gott ihm in der Verzweiflung beistand. Die Erfahrung, dass er nicht allein durch sein Leben gehen musste, will er weitergeben. Wie ihm geholfen wurde, erfahren wir nicht. Wichtig ist nur, dass ihm geholfen wurde. Er will Mut machen, auf diesen Gott zu hoffen und zu vertrauen. Deshalb dichtet er diesen schönen Psalm.
Ein sinnvolles und damit gutes Leben zu führen bedeutet nicht, dass wir mit Gottes Hilfe alle Stolpersteine des Lebens überspringen werden, das ist unrealistisch. Es bedeutet aber, dass es keine Situation geben wird, in der uns Gott verlassen wird. Er wird die Schwierigkeiten nicht beseitigen, er wird uns aber hindurchhelfen, wenn wir es wollen. Was uns auch immer passiert, Gott lässt uns nicht allein. Das ist Trost, Hoffnung und Zuversicht. Ein gutes Fundament des Lebens.
Pfarrer Christian Gogoll
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