Wort zur Woche
von Dr. Elisabeth Hackstein
Zeitenwende - Sonntag beginnt ein neues Kirchenjahr
Als Kind habe ich Geschichten geliebt mit dem Schlusswort „Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute“. Das waren Geschichten, die gut endeten, auch wenn sie noch so schrecklich waren, weil der böse Wolf Kinder gefressen hat oder der schöne Prinz in ein hässliches Tier verwandelt wurde. Am Ende wurde alles gut.
Im realen Leben enden viele Geschichten gar nicht gut. Der Ewigkeitssonntag hat uns gerade mit der schwersten Seite unseres Lebens konfrontiert, mit dem Verlust nahe stehender Menschen. Der Tod setzt dem irdischen Leben unerbittlich ein Ende.
Im trüben November gehen unsere Gedanken zu den Verstorbenen und wir fragen uns, ob Gott sie in Gnaden aufgenommen hat und was uns erwartet, wenn wir ihnen eines Tages nachfolgen. Wann aber unsere Stunde schlägt, wissen wir nicht.
Nicht die Zeit noch die Stunde zu wissen, dass ist für uns moderne Menschen, die wir alles genau planen und im Tagesablauf eintakten, eine Herausforderung. Wir glauben, dass wir alles kontrollieren können, uns alles ausrechnen können. Wir haben feste Vorstellungen über unsere beruflichen Ziele, wir planen, wann die Kinder kommen sollen und mit wem wir alt werden wollen. Aber Kinderlosigkeit, der all zu frühe Tod des Partners oder Arbeitslosigkeit werfen alles um und all unser Planen ist umsonst. Und wir lernen durch harte Erfahrungen, dass es in unserem Leben Unverfügbares gibt, über das wir nicht bestimmen können. Und dazu gehören die Zeit und der Tod.
Gerade an grauen Novembertagen, wenn das Leben schwerfällt und die Trauer über die Menschen, die nicht mehr unter uns sind, auf der Seele lastet, dann spricht die Bibel aus, was wir uns so dringlich wünschen: eine Welt ohne Leid und Schmerz, ohne Krieg und Terror, wie der Prophet Jesaja bereits vor 2700 Jahren als Gottes Wollen weissagte: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorherigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.“ In Gottes Reich wird es weder Weinen noch Klagen geben, Menschen sterben alt und lebenssatt und die ganze Schöpfung hält Frieden. „Wolf und Schaf sollen beieinander weiden und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind.“ (Jes 65,17.24f)
Aber noch leben wir in einer friedlosen und zerrissenen Welt, in der Tränen fließen, weil der Tod oft viel zu früh Menschen aus unserem Leben reißt, Beziehungen zerstört und Hoffnungen vernichtet. Das ist besonders schmerzlich, wenn grausamer Terror jäh und unerwartet tötet, wie die Opfer fanatischer Kriegstreiber erleben. Durch die Attentate in Paris wurde uns wieder einmal vor Augen geführt, dass Menschenleben verachtender Fanatismus nicht vor Europa Halt macht.
Und da brauchen wir Worte der Hoffnung mehr denn je, damit wir nicht resignieren und uns mit schwer bewachten Weihnachtsmärkten nicht abfinden. Wir brauchen Menschen, die schon jetzt über die Kriege in der Welt hinaus blicken und mehr Frieden wagen, um gegen alle Gewalt und den Terror einen Grundstein zu legen für ein friedliches Zusammenleben in der Zukunft.
Für uns Christen beginnt Sonntag ein neues Kirchenjahr, das mit einer Zeit der Hoffnung und Vorfreude beginnt. In der Adventszeit richten wir unseren Blick auf den Kommenden, auf Jesus von Nazareth, dessen Geburt wir Weihnachten feiern und in dem Gott das Leben von uns Menschen teilt. Und wenn wir unsere Hoffnung und unsere Wünsche vor ihn tragen, dann ist sicherlich eine Welt ohne Krieg, Terror und Attentate in diesem Jahr der sehnlichste Wunsch vieler Menschen zum bevorstehenden Weihnachtsfest. Bitten wir Gott, dass es wenigstens friedvolle Festtage werden.
Dr. Elisabeth Hackstein
Prädikantin und Konventualin des Klosters Stift zum Heiligengrabe, Heiligengrabe
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