Wort zur Woche

von Pfarrer Daniel Feldmann

Die Kunst des Staunens

Liebe Leserinnen und Leser,

das Staunen ist eine Fähigkeit, die im Laufe unseres Lebens immer mehr abnimmt. Kinder staunen noch gerne und viel. Beim Anblick eines Brummkreisels oder einer elektrischen Lokomotive beginnt ein unbändiges Staunen. Dabei steht der Mund offen und die Augen werden größer und größer. Plötzlich sind sie ganz still und konzentriert.

Erwachsene staunen nicht mehr so viel. Ihnen steht ihre eigene Befangenheit im Weg. Schließlich ist es gar nicht so einfach anderen Menschen Begeisterung zu zeigen. Manchmal wird das Staunen als Naivität und Unerfahrenheit gedeutet. Natürlich hat das auch mit unserem Medienkonsum zu tun. Im Internet oder auch im Fernsehen konsumieren wir bunte Bilder mit einer so überragenden Qualität, dass sie die Realität scheinbar in den Schatten stellen. Insofern ist es schon ganz beachtlich, wenn sich erwachsene Menschen dem Zustand des Staunens hingeben.

Das Staunen ist dennoch wichtig und schön. Wer staunt ist von Offenheit und Dankbarkeit erfüllt. Die inneren Knoten lösen sich und die Verkrampfung werden aufgeweicht.

Lobe den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr groß; in Hoheit und Pracht bist du gekleidet. (Psalm 104,1)

So staunt der Psalmbeter über die erhabenen Werke Gottes. Die Schöpfung ist so schön und kostbar, dass wir unser Staunen nicht verlernen sollten. In letzter Zeit staune ich im verstärkten Maße über die Tiere, die in unserem Gemeindegarten zu finden sind. So staune ich über Spechte, Meisen oder Amseln, die sich bei uns scheinbar wohlfühlen.

Natürlich können uns noch viele andere Dinge zum Staunen anregen. Da ist ein Sonnenuntergang am Meer, der den Himmel in ein wunderbares Orangerot taucht. Da ist der Sternenhimmel, der uns mit seiner Weite beeindruckt. Manchmal sind es auch Geschichten, die mich zum Staunen anregen. Staunen ist wichtig, doch häufig brauchen wir Erwachsenen Hilfe, um wieder staunen zu können. Oft sind es kleine Kinder, die uns auf großartige Weise dabei helfen.

So können wir die engen Kanäle unserer eigenen routinierten Wahrnehmung durchbrechen und das Staunen neu lernen.

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