Wort zur Woche

von Pfarrer Christian Gogoll

Reich oder arm

Es klingelt, Frau K. steht vor der Tür und möchte etwas spenden. „Hier habe ich wieder 5€ für die armen Kinder…“ Frau K. ist Rentnerin und Witwe. Sie hat nicht viel zum Leben, ist aber zufrieden. Sie lebt in unserem Dorf und ist ab und zu auch in der Kirche. Vor einigen Jahren hatte sie sich taufen lassen. Das war ihr wichtig.

In ihrem Arbeitsleben, später dann in ABM und MAE war sie immer fleißig. Andere sagten: „ich geh doch nicht für einen Euro die Stunde arbeiten…“. Sie aber freute sich und sagte. „So habe ich etwas mehr Geld zur Verfügung und werde gebraucht.“

Ich kenne Frau K. schon viele Jahre, ich mag sie. Auf sie passt: „das Herz am rechten Fleck; eine treue Seele; frei von der Leber weg reden…“

Frau K. kommt regelmäßig und gibt von dem Wenigen, was sie hat: „Für die armen Flüchtlinge aus der Ukraine, ich verstehe es nicht, was dort geschieht…“, sagt sie diesmal. Dann reden wir noch ein paar Minuten, sie berichtet von ihren Freuden und Sorgen. Dann geht sie wieder, bis zum nächsten Mal.

Als Bibelkenner erinnert mich Frau K. an die Geschichte vom Scherflein der armen Witwe, die im Neuen Testament zu lesen ist. Jesus lobt sie, weil sie alles gibt, was sie hat, ihre Hingabe und ihr Gottvertrauen. Im Gegensatz dazu stehen die Großspender, die „nur“ von ihrem Überfluss geben. Ihr Opfer aber sei das größere, so Jesus. Wer ist nun wirklich reich oder arm in seinem Leben?

„Als Bettler verkleidet ging der König des Landes von Haus zu Haus. Da traf er einen Mann, der einen schweren Sack voll Weizen auf den Schultern trug. Er streckte ihm die bittenden Hände entgegen. Der Mann griff mit spitzen Fingern in den Sack und gab dem Bettler ein Weizenkorn. Daheim schüttete er den Weizen aus und fand ein Korn, das funkelte wie Gold. Und es war aus Gold, aus reinem Gold. Er erinnerte sich an die Begegnung mit dem Bettler, dass er ihm nur ein einziges Körnlein geschenkt hatte. Er begann zu weinen: Warum hatte ich nicht das Herz, alles hinzugeben?“

Ich freue mich, wenn Frau K. wiederkommt. Im meinen Augen ist sie reich, weil sie zufrieden ist.

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