Wort zur Woche
von Pfarrer Christian Gogoll
Unerträglich
Unerträglich – dieses Wort ist in den letzten Wochen und Tagen durch die Medien gegangen. Im Blick auf das Geschehen in Afghanistan ist dieser Ausdruck sehr passend, finde ich.
Ich sah die Bilder im Fernsehen und hörte die Berichte im Radio. Ich sah und hörte die Verzweiflung und die große Angst, die viele Menschen dort erlebten und erlitten. Panik und Chaos am Flughafen von Kabul trieben Menschen so weit, dass sie eher ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten, als sich den neuen Machthabern auszusetzen. Wie viele Träume von einer besseren Zukunft sind zerplatzt? Wie viel Arbeit und Mühe der letzten 20 Jahren waren für die Menschen vor Ort umsonst? Wie viele Versprechen wurden gebrochen? Wie unendlich groß ist die Enttäuschung?
Ich sehe und höre diese Bilder aus sicherer Entfernung. Ich empfinde aber ebenso, ich finde es unerträglich. Anzusehen, wie ohnmächtig die Weltgemeinschaft ist, ist schwer auszuhalten. War alles umsonst? Ich fühle mich selbst ohnmächtig, ich kann nichts tun.
Als ich hörte, dass einige Kirchengemeinden ein Gebet für die Menschen in Afghanistan anbieten, war ich zunächst skeptisch, was soll das bringen? Ich dachte an die Klagepsalmen in der Bibel. Menschen haben schon immer ihr Leid Gott gegenüber geklagt, haben so ihrer Ohnmacht eine Stimme gegeben. Menschen haben in ihrer größten Not Gott angeklagt, haben nach dem Sinn gefragt.
Mir gefällt der Gedanke. Mit anderen Menschen zu beten und Gott zu bitten, Gott in die Verantwortung zu nehmen, ist eine gute Möglichkeit. Ich glaube, dass Menschen immer wieder erfahren, dass Beten helfen kann. Wenn ich meine Ohnmacht und Fassungslosigkeit formuliere, hilft es, nicht zu resignieren. Es hilft dazu, die Hoffnung nicht zu verlieren. Es hilft, um weiterzumachen und um Lösungen und Wege zu finden.
Auch wenn ich persönlich nicht viel für die Menschen in Afghanistan tun kann, so kann ich dennoch dazu beitragen, dass diese verzweifelten Menschen nicht vergessen werden. Auch dann, wenn mich wieder andere unerträgliche Nachrichten erreichen.
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