Wort zur Woche
von Vikar Florian Lengle
Karsamstagsglaube
Nach Merkels Rückzieher ist es nun doch möglich: „Shopping am Ostersamstag!“ So lese ich es in den Pressemitteilungen der letzten Tagen. Und ich wundere mich: über die undurchsichtige Strategie der Bundesregierung in Bezug auf die Pandemie. Und ich stolpere mal wieder über die Bezeichnung ‚Oster(!)samstag‘. Richtig wäre: Karsamstag. Es ist der Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag. An Karfreitag erinnern wir an die Kreuzigung Jesu und am Ostersonntag an seine Auferstehung. Karsamstag ist kein Freudentag, sondern wie der Karfreitag ein Tag der Trauer. Jesus ist tot. Die Auferstehung lässt noch auf sich warten. Es ist noch nicht Ostern.
Der Karsamstag hat in meinem bisherigen Leben kaum eine Rolle gespielt. Es gibt keine Gottesdienste und Rituale zu feiern. Es ist ein leerer Tag. Er liegt zwischen der Verzweiflung des Gesterns und der Hoffnung des nächsten Morgens. In diesem Dazwischen vermischen sich die Trauer über das Geschehene und die Erwartung auf das, was noch kommt. Dieses Dazwischen muss ausgehalten werden. Es ist noch nicht Ostern.
So wie ich diesen Tag erlebe, so erlebe ich auch meinen Glauben.
Auch mein Glaube liegt irgendwo dazwischen. Zwischen dem (Mit)Leiden an dieser Welt, an der Ungerechtigkeit, an der Vergänglichkeit des Lebens; und der Hoffnung darauf, dass es Trost gibt, dass unsere Tränen abgewischt werden, dass wir das ewige Leben haben. Mein Glaube ist irgendwo dazwischen. Zwischen dem Blick auf all das Schlechte der Welt und der Zuversicht, dass nichts so bleiben muss, wie es ist.
So wie ich an Karsamstag die Spannung zwischen Trauer und Erwartung aushalten muss, so muss ich sie auch in meinem Glauben aushalten.
An Karsamstag ist diese Zwiespältigkeit besonders zu spüren. Der Theologe Fulbert Steffensky hat dieses Gefühl in einem Wort zusammengefasst: „Karsamstagsglaube“. Ein Ausdruck für einen Glauben, der im Zweifel und Schmerz schon die Hoffnung in sich trägt.
Beides braucht seine Zeit – Zweifel, Schmerz und Trauer, aber eben auch die Hoffnung. Darum halten wir heute den Karsamstag aus. Und morgen feiern wir Ostern!
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