Wort zur Woche

Die Glocken läuten. In manchen Orten mehrmals am Tag, in anderen jeden Sonntag, in wieder anderen immer dann, wenn dazu ein Anlass ist.

Was haben diese Glocken schon alles gesehen? Fröhliche Menschen, die zur Taufe oder Trauung gekommen sind. Trauernde, die einen Menschen zu Grabe getragen haben. Zeiten des Krieges, in den sie zu Zielscheiben von Soldaten wurden. Zeiten, in denen sie für den Frieden geläutet haben.

Die Glocken läuten auch in diesen Tagen. Zum fröhlichen Gottesdienst mit vielen Menschen können sie jetzt nicht einladen. Auch Trauerfeiern können nur im kleinsten Kreis stattfinden. Zu gefährlich wäre es, wenn vielen Menschen zusammenkommen.

Das Läuten der Glocken aber verbindet die Menschen. Alle können sie hören.

Dieser Tage sah ich am Kirchplatz in Perleberg ein Mutter mit ihrem Kind. Als die Glocken läuteten hielten sie inne und sahen hinauf zum Turm der Kirche … und entdeckten dort die Turmfalken, die aus ihrem Quartier hoch oben wegflogen und nach einer Runde über der Stadt wieder zurückkehrten.

Auch ich schaute hinauf und dachte: Sie sind frei und können sich bewegen, wie sie wollen, und sie haben den Überblick. Das wünsche ich mir auch für mich, wo ich doch gerade mit vielen Einschränkungen leben muss.

Das Läuten der Glocken, der Blick nach oben. Es war für mich wie ein Blick in den Himmel, ein Blick, der mich hoffen lässt, der mir Mut macht, der mit sagt: Bleibe gelassen! Schau auf das, was jetzt möglich ist, vielleicht gerade auch auf das, was gerade jetzt möglich ist und es bisher nicht war! Schau auf das, was kommt.

Die Mutter mit ihrem Kind schauten lange nach oben, bis die Glocken wieder schwiegen, und gingen dann irgendwie froher weiter.

Wenn Sie in diesen Tagen die Glocken hören, lassen Sie sich doch auch verleiten, einen Moment innezuhalten und nach oben zu schauen. Vielleicht sehen Sie dann auch etwas, was Sie bisher nicht entdeckt haben, und denken Sie daran: Mit allen, die gerade die Glocken hören, sind Sie verbunden. In diesem Miteinander halten Sie die notwendige Distanz auf jeden Fall ein.

Die Glocken läuten und ich lerne neu zu hoffen.