Wort zur Woche
von Pfr. Volkhart Spitzner
Liebe Leser und Leserinnen,
über Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag meinte das Wetter es wirklich gut mit uns. Das schöne Wetter hätte so richtig zu unserem alljährlichen Familientreffen gepasst. Nun saßen meine Frau und ich allein im Pfarrgarten und wir gingen im nahegelegenen Hainholz spazieren. Die verordnete Ruhe ließ mich in der Sonne sitzen und meinen Gedanken nachhängen. Es waren sehnsuchtsvolle Gedanken, was ich tun werde, wenn diese von Abstand geprägte Zeit vorüber ist.
Und es waren Gedanken aus meiner erlebten Vergangenheit, die mich prägte und oft auch beschenkte. Als Kind verbrachte ich gerne die Ferienzeit mit meinem Großvater. So manche Erledigung meines Großvaters wurde für mich zu einer willkommenen Abwechslung in den Ferientagen. Er zog seine Stiefel an, die unter der Ofenbank in der Küche standen, zündete sich eine Zigarre an, und fragte mich dann: “Kommst du mit?“ Schnell landete noch etwas Brot für die Enten in einer Tüte und dann zogen wir los. Auf einem dieser Spaziergänge im Frühjahr hörte ich wohl zum ersten Mal Goethe: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche; im Tale grünet Hoffnungs-Glück.“
Diese Spaziergänge hätte ich vermutlich vergessen, wäre da nicht diese unglaublich große Hand meines Großvaters gewesen, in die hinein ich, von unten her, meine kleine Kinderhand schob. Er schloss seine Hand um die meine und hielt sie vollkommen mit allen Fingern rundum umschlossen in der seinen. Meine Erinnerung sagt mir: Dieser Moment barg eine unzerstörbare Geborgenheit in sich, das Gefühl, vollkommen sicher zu sein, - wenigstens in diesem Augenblick. Diese Sicherheit konnte mir, da war ich sicher, niemand nehmen, was der Alltag in meinem Kindsein auch brachte.
Heute behaupte ich: Mein Glaube an Gott, den gnädigen Vater, ist während dieser Spaziergänge durch die Hand meines Großvaters zu einer Möglichkeit meines Lebens geworden. Und ich weiß auch: Es ist ein wertvolles Geschenk einer Kindheit der 1960-er Jahre, wenn ich mich an solche Momente mein Leben lang so genau erinnern darf. Ein Glücksfall, denn es erging vielen ganz anders.
Ich höre meinen Großvater, wie er den Osterspaziergang zitiert: „Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden. Aus niedrigen Häusern dumpfen Gemächern; Aus Handwerks- und Gewerbes Banden; Aus dem Druck von Giebeln und Dächern; Aus Straßen quetschender Enge; Aus Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht.“
Und ich erinnere mich, wie auf jedem „AUS“ das besondere Gewicht der Stimme meines Großvaters lag. Und mir wurde deutlich, diesen Moment, im „alle ans Licht gebracht“, suchte er auf seinen Spaziergängen. Nicht die Enge, die Weite gilt es zu finden !
Ich zog meine Kinderhand dann gerne auch wieder aus der warmen Höhle seiner Hand heraus und wusste: Geborgen sein, das ist etwas, zu dem braucht es etwas ganz, ganz Großes.
Möge der österliche Segen Sie alle behüten und bewahren und durch diese ungewisse Zeit geleiten, das wünscht Ihnen Pfarrer Volkhart Spitzner.
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