Wort zur Woche

von Pfr. Peter Radziwill

Liebe

„Die Leute erzählen viel über mich. Ich lasse sie reden. Sie haben sich allerlei Geschichten über mich ausgedacht. Sollen sie. Ich bin eigentlich nur ein unbedeutender Pfarrer auf dem Lande. Aber die Geschichten über mich sind doch schön und einmal im Jahr komme ich so groß heraus. Letzten Donnerstag war es wieder so weit.

Die Blumenhändler haben sich gefreut. In einer Gaststätte waren die Tische romantisch geschmückt und Paare bekamen ein Glas Sekt vom Haus. Es war der Tag der Verliebten und Liebenden.

Was das mit mir zu tun hat? Es wird erzählt, ich hätte heimlich Paare getraut, denen das Heiraten von Gesetz wegen nicht erlaubt war. Ich kann mich gar nicht mehr so genau erinnern. Aber ich weiß, dass mir die Liebe immer wichtiger war als das Gesetz. Ein Glück, dass das es heute allen Liebenden erlaubt ist zu heiraten, egal ob arm oder reich, egal ob die Eltern zustimmen, egal ob Mann und Frau oder zwei Männer oder zwei Frauen.

Damals war das alles verboten. Die Oberen haben mich einbestellt und schließlich zum Tode verurteilt. Am 14. Februar sollen sie mich hingerichtet haben. Das war genau der Tag, an dem es damals Brauch war, dass die jungen Männer Lose ziehen, auf denen die Namen von Mädchen standen. Die gelosten Pärchen zogen dann um die Häuser und bei manchen hat es gefunkt.

So eine Liebeslotterie wäre auch etwas für heute, nicht nur für die Menschen, die sich einen Partner wünschen sondern auch für Politiker, die gerne Mauern oder Atomraketen bauen wollen, oder für die, die nicht mehr miteinander reden, weil sie unterschiedlicher politischer Auffassung sind. Wenn die einmal einen Tag miteinander um die Häuser oder durchs Dorf ziehen würden, vielleicht würden sie sich dann besser verstehen und manche Mauer in den Köpfen würde verschwinden.

Es wäre schön, wenn sich die Menschen auch dazu noch eine Geschichte ausdächten, und wenn dann vielleicht in den Parlamenten Politiker miteinander ins Gespräch kommen über Parteigrenzen hinweg oder wenn in meinem Ort auch die wieder einmal miteinander reden, die das sonst nur übereinander tun. Noch schöner wäre es, wenn die Liebe nicht nur einen Tag im Jahr hätte, sondern ihr öfter einmal an mich denkt - nicht wegen mir, ich bin ja nur der unbedeutender Pfarrer Valentin aus Terni.“

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