Wort zur Woche
von Pfr. Peter Radziwill
Wolf
Der Wolf ist zurück. Er streift auch durch die Wälder der Prignitz. Manchmal holt er sich ein Schaf oder Rind von der Weide. Er beunruhigt die Menschen. Jetzt ist sogar einer aus dem Tierpark Perleberg entlaufen.
„Die Wölfe sind zurück“, heißt eine Installation von Rainer Opolka, die in den letzten beiden Jahren an mehreren Orten in Brandenburg zu sehen war. Auch Opolka ist beunruhigt. Darum hat er 66 überlebensgroße, Zähne fletschender Ungeheuer auf Märkte und Plätze gestellt: Blinde Hasser und Kraftprotz, Mitläufer oder Anführer heißen einige der Figuren. Für den Künstler sind im ganzen Land solche Wölfe an die Öffentlichkeit getreten und besetzen die Plätze - auch in den Parlamenten und sozialen Medien. In der vorigen Woche hat die Reaktion auf die Ereignisse in Münster das wieder deutlich gemacht.
Wie ein Wolf kann auch ein Ereignis mein Leben zerreißen: eine Krankheit, ein Unfall, wenn ein Mensch durch Tod oder Trennung aus meinem Leben geht. Wie schön wäre es, wenn immer dnn jemand da wäre, der aufpassen würde: ein Schutzengel, der sich den Wölfen, die mein Leben gefährden, in den Weg stellt.
Der Psalm, der in vielen Gottesdiensten am kommenden Sonntag gebetet wird, weiß um so einen, der immer schützend anwesend ist: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, ich fürchte kein Unglück.“ Aber ist dieser Psalm nicht weltfremd? Wo ist er denn, der Hirte, der mich vor allem Unglück beschützt? Warum gibt es so viel Schwieriges in meinem Leben und in unserer Welt?
Für mich ist der Psalm ist ganz nah an der Welt. Er weiß um um das finstere Tal und das Unglück. Er weiß, dass es manchmal „Stecken und Stab“ - die Waffen des Hirten - braucht, um zu bestehen. Er weiß auch, dass es manchmal schwer ist, aus der Vielzahl der Wege die rechte Straße zu finden. Einen Schutzengel, der alles Unglück verhindert, den gibt es nicht. Aber es gibt einen - darauf vertraue ich - , der auf jedem Weg, in allem Schönen und Schwierigen dabei ist.
In diesem Vertrauen kann ich gelassen mit dem Wolf im Wald leben, der ein Geschöpf von Gottes guter Schöpfung ist. Wenn ich diese Sicherheit habe, gelingt es mir auch, liebevoller und faktenreicher den notwendigen Diskurs in unserer Gesellschaft zu führen. Vielleicht spüre ich dann auch in den Krisen meines Lebens: Ich bin nicht allein, meine Seele wird immer wieder erquickt.
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