Wort zur Woche
von Pfr. Volkhart Spitzner
Ein Licht kommt in die Dunkelheit
Morgen ist der erste Advent. Auf unserem Küchentisch steht ein Adventskranz, der uns mit seinen Lichtern in die kommende Zeit begleiten wird. Was ist Advent? Darauf lassen sich viele Antworten geben. Manch einer ist genervt von dem sentimentalen Zauber, andere lassen sich gerne hineinnehmen in die vorweihnachtliche Zeit.
Als Eltern und Großeltern sind wir nicht selten gefordert, auf Fragen unserer Kinder und Enkelkinder zu antworten. Wer ist Sankt Nikolaus? Warum leuchten Kerzen auf den Adventskränzen und später an den Weihnachtsbäumen? Was ist da „heilig“ am Heiligen Abend? Und was feiern wir in unseren Kirchen? Manche Kinder haben es ja verlernt zu fragen, wie viele Erwachsene ja auch. Und dennoch spüre ich da eine gesunde Neugierde, die mich in dieser Zeit als Pfarrer besonders fordert.
Advent heißt Ankunft und weist auf die Geburt von Jesus hin. Gott kommt in seinem Sohn Jesus Christus mitten unter uns Menschen. Advent ist eine Zeit, wo etwas von dem Glanz des verlorenen Glaubens sichtbar wird und nachleuchtet. So wie die Sterne noch lange nach ihrem Erlöschen zu sehen sind, weil ihr Licht von damals noch immer auf dem Weg ist zu uns, so hat das Geheimnis etwas von Wärme und Hoffnung oft auch noch für diejenigen übrig, die es nicht mehr zu glauben vermögen.
Ich erinnere mich an eine Adventsfeier in einem Blindenheim meiner Heimatgemeinde. Wir sangen das Lied „Ein Licht leuchtet auf in der Dunkelheit“. Nach der ersten Strophe wurde es ruhig, dann sprach eine Frau den Text der zweiten Strophe vor und wir sangen weiter. Vor jedem Sänger und Teilnehmer der Adventsfeier stand eine brennende Kerze. Da waren Menschen, die wortwörtlich in der Dunkelheit waren, ohne Hoffnung, jemals wieder das Licht zu sehen und sie sangen das Adventslied vom Licht, das in die Dunkelheit kommt. Das beeindruckte mich sehr, so sehr, dass ich das Erlebnis nicht vergessen habe. Was mochte ein solcher Text, dieses Lied, für diese Menschen bedeutet haben? Welches Licht war da gemeint? Wie sieht das Licht für einen Menschen aus, der nichts sehen kann?
Vielleicht ist es mit dem adventlichem Licht so, wie mit den brennenden Kerzen die vor den Blinden standen. Das Kerzenlicht konnten sie nicht sehen, aber sie wussten, dass es brennt. Und wenn sie sich behutsam diesem Licht näherten, dann spürten sie seine Wärme, hörten vielleicht ein leises Knistern.
Ich muss das Licht nicht sehen können, aber ich muss das Vertrauen haben, dass es dieses Licht gibt. Von diesen Menschen habe ich eine neue Art des Vertrauens gelernt. Ein Licht leuchtet in der Dunkelheit – das adventliche Licht leuchtet auf, auch wenn ich es vielleicht nicht sehen kann – noch nicht sehen kann. So ist Advent eine Zeit, in der das alte Brauchtum lebendig wird im Singen, in Melodien und Texten. Vielleicht hören und spüren wir etwas von der Einfachheit, von der Fantasie und der fröhlichen Glaubensstärke unserer Vorfahren All dies möchte uns trösten und ermutigen, es doch wieder mit dem Glauben zu wagen, der die Menschen inmitten schwerer Zeiten so froh macht.
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