Wort zur Woche
von Dr. Elisabeth Hackstein
Gott gedachte es gut zu machen
Die Josefsgeschichte im Alten Testament ist vermutlich die bekannteste Familiengeschichte, die je geschrieben wurde. Es ist eine Geschichte voller Geschwisterrivalität, Bosheit und Verrat, eine Geschichte voller Lebenserfahrung und Lebensweisheit, in der wir uns selbst finden können, um uns mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Die Kirchgänger/innen erinnern sich: Am letzten Sonntag war die Geschichte Thema im Gottesdienst.
Da rivalisieren Brüder miteinander. Josef ist der Lieblingssohn des Vaters, den dieser den anderen Brüdern unübersehbar vorzieht und verwöhnt. Das schürt Hass und Neid. Und die eifersüchtigen Brüder wollen Josef loswerden, verkaufen ihn heimlich nach Ägypten. Josef trifft ein schweres Schicksal, erst Sklaverei und dann Gefängnis infolge von Verleumdung. Doch durch seine Klugheit kommt er frei und steigt zur rechten Hand des Pharaos auf. Eine Hungersnot bringt die Familie wieder zusammen. Denn nun kommen auch die Brüder nach Ägypten, um Getreide zu kaufen. Und Josef zeigt menschliche Größe. Die Gemeinschaft der Familie ist ihm wichtiger als alte Bösartigkeiten und Verletzungen und er vergibt den Brüdern, was sie an ihm Grausames begangen haben.
„Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen“, sagt Josef zu seinen Brüdern. Denn in dem guten Ende sieht er das Eingreifen Gottes in die Geschichte seiner mit Konflikten hochbeladenen Familie. Sein Leben sieht er ganz in Gottes Hand. Und weil er in Gottvertrauen lebt, lebt er in großer innerer Freiheit, einer Freiheit, die ihm die Kraft gibt, den Brüdern zu vergeben.
Aber es ist kein billiges „Vergeben und Vergessen“. Denn Vergeben heißt, das Böse, das Verletzende zu benennen, ohne an Rache denken, ohne Vergeltung zu üben. Dadurch wird der Weg frei, dass sich die Brüder versöhnen und in Frieden miteinander leben können. Und daher kann Josef am Schluss der Geschichte aus tiefster Überzeugung sagen: Da hat Gott gehandelt, er gedachte es gut zu machen.
Der dänische Philosoph Soeren Kirkegaard hat einmal gesagt, dass wir das Leben in der Schau nach vorwärts leben, aber nur in der Schau nach rückwärts verstehen können. Josef schaut auf sein Leben und im Rückblick sieht er, wie sich sein Leben aus Sklaverei und Gefangenschaft immer wieder zum Guten gewendet hat. Darin erkennt er Gottes Handeln, der es gut zu machen gedachte. Und das versöhnt ihn mit seinem oft schweren Leben.
Von Josef lerne ich Vertrauen, das sagt: Mein Leben ist vor Gott keine gerade Linie. Es geht durch Höhen und Tiefen, weist Erfolge und Misserfolge auf und in vielem bleibt es bruchstückhaft und unvollendet. Wenn ich auf mein Leben schaue, dann sehe ich Wege und Umwege, ich sehe Wege, die mir im vorwärts gehen als richtige Wege erschienen und die ich dann als Irrwege erfahren habe. Aber ich vertraue auf Gott, dass er dieses Leben mit mir geht und es einmal bei ihm gut aufgehoben sein wird. Gott zu vertrauen heißt für mich, auf mein Leben schauen zu können mit allen richtigen und falschen Wegen, und mit meinem Leben versöhnt sein, weil ich sagen kann: Es ist gut so, weil Gott meine Wege mit mir geht. Denn er gedenkt es gut zu machen.
Dr. Elisabeth Hackstein, Prädikantin und Konventualin des Klosters Stift zum Heiligengrabe
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