Wort zur Woche
von Pfr.i.R. Johannes Kölbel
„Was will ich denn machen?“
So sagt und fragt wiederholt die Jubilarin bei meinem Besuch. Im Krieg hat sie drei Brüder verloren. Sie war gerade mal sieben. Was will ich denn machen? Fragt sie ohne eine direkte Antwort zu erwarten. Der gewaltsame Tod der Geschwister bleibt bei ihr eine offene Wunde. Was will ich denn machen? Das Leben geht weiter, ergänzt sie. Gern hätte sie damals in der LPG die Fahrerlaubnis gemacht. Aber irgendwie fehlte die Motivation und ein Trabant stände dann ja auch nicht gleich vor der Tür.
Was will ich denn machen? Sie macht einfach. Sie fährt Rad, zum Friedhof und in die Stadt zum Erzählen. Und einen schönen Humor hat sie behalten. Ihr Mann meinte vor seinem Tod, er würde dann regelmäßig zurückkommen und das Grab harken und sie redet dann mit ihm am Grab und sagt: Jetzt kannste mal langsam wieder! Was willste denn machen?
Der Mann von Frau B ist immer wieder „fremd“ gegangen. Neben den eigenen Kindern mit ihr hat er parallel noch weitere gezeugt. Sie hat sich scheiden lassen. Was willste denn machen? Das war Verzweiflung, sagt sie. Sie konnte nicht mehr. Und all das Gerede. Nun ist er auch gestorben. Der liebe Gott wird’s schon wissen, warum. Und was willste denn machen? Die Kinder mussten durchgebracht werden.
Die Lebensgeschichten der Menschen in meinen Orten sind oft hart, sind ernüchternd, gehen mir ans Herz. Woher nehmen Menschen die Kraft zum Leben? Da ist wenig Spielraum, waren wenig Wahlmöglichkeiten. Was willste denn machen? Was Mann oder Frau selbst wollten, spielte überhaupt keine Geige. Das Leben war und ist für Viele ein Muss. Der Vater ist eben zu pflegen. Der kommt doch nicht in ein Heim! Und mit der Trauer um das nicht mehr Mögliche muss Frau und Mann leben.
Und dann wird aus einem Muss im Verlauf oder im Nachhinein ein tiefer Sinn, der mich staunen lässt. Da ist eine Kraft und Zuversicht, die ich bei Anderen, die garnicht wissen was sie zuerst genießen und wohin sie reisen sollen, vermisse. Frau C würde mal wieder zum Gottesdienst kommen. Aber beim „Vater unser“ traut sie sich nicht aufzustehen, weil sie dann vielleicht das Wasser nicht halten kann. Darf sie dennoch kommen? Na klar.
Was willste denn machen? Der Glaube trägt und das Leben geht weiter. Wie lange weiß keiner, sagt sie. Gut so, sage ich. Unsere Zeit ist in Gottes Hand. Und Jesus sagt: „Kommt her zu mir ihr Mühseligen und Beladenen. Ich will euch erquicken!“ Also rein in den Gottesdienst und bitte sitzen bleiben! Oder ein Anruf: Besuchen Sie mich mal Herr Pfarrer!
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