Predigt am Karfreitag 2010, gehalten in Quitzow und Kreuzburg

von Superintendent Hans-Georg Furian

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und von unserem Herren Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

wir alle wissen: wo Menschen miteinander leben und arbeiten, da gibt es Streit. Nicht, dass es so ist, ist das Problem, sondern wie wir damit umgehen.

Das Sprichwort gibt uns da eine erste Hilfestellung. Es heißt: der Klügere gibt nach. Manche Auseinandersetzung wird beigelegt, weil sich einer als dieser Klügere erweist. Aber wir wissen auch, dass sich auf diese Weise nicht jeder Streit beilegen lässt. Oft sagen wir: die Fronten sind verhärtet. Keiner ist bereit, etwas von sich aufzugeben oder nachzugeben. Aber ohne etwas zu geben wird kein Friede, keine Versöhnung möglich.
Das ist der Ort in unserem Leben, an dem Karfreitag zu Hause ist. Karfreitag ist der Grund, warum Versöhnung gelingen kann. Er gibt der Versöhnung ihren Grund. Darum sagt der Apostel Paulus im heutigen Predigttext:
“So bitten wir im Auftrag von Christus: Bleibt nicht Gottes Feinde. Nehmt die Versöhnung an, die Gott euch anbietet”.

Das, was uns Gott anbietet, geht nicht am Leben vorbei. Es bezieht sich auf die alltägliche Situation des Streites. Dieser Bezug unseres Glaubens auf unser Leben ist wichtig. Wir müssen uns das klar machen. Denn die nichtchristliche Mehrheit geht davon aus, dass es diesen Bezug nicht gibt. Sie meinen, unser Glaube ist weltfremd und lebensfern.

Genauso falsch ist es freilich, was andere denken, nämlich diejenigen, die meinen, dass unser Glaube nur eine bestimmte Art der Lebenshilfe ist. Dieses Argument ist deshalb so gefährlich, weil es so tut, als gäbe es Gründe für unseren Glauben, die in unseren Nöten liegen. Gründe, die den christlichen Glauben notwendig machten. Damit wird der Glaube nötig; freilich nur für die, die ihn nötig haben. Für andere, die ohne diese Hilfe fertig werden, für die ist der christliche Glaube nichts. Problematisch ist das, weil dem Glauben hier eine Funktion übertragen wird, eine bestimmte Aufgabe zu lösen, die man aber eben auch anders und ohne ihn genauso gut lösen könnte. Unser Glaube ist aber nicht so zu verstehen. Wohl bezieht er sich auf unser Leben. Ist also nicht weltfremd oder lebensfern. Aber er ist nicht nötig. Unser Glaube ist vielmehr die Dreingabe Gottes, die Zugabe des Heiligen Geistes. Darum ist er auch nicht durch anderes ersetzbar.

In dieser Zugabe des Geistes Gottes wird mir deutlich, dass für mich gilt, was vor Gott Geltung hat. Nicht meine Meinung über mich selbst oder die anderer über mich zählt, sondern es zählt, was vor Gott gilt. Was da gilt, dass fasst der Apostel so zusammen: "Gott hat Christus, der ohne Sünde war, an unserer Stelle als Sünder verurteilt, damit wir durch ihn vor Gott als gerecht dastehen."

Auch diese Aussage knüpft an eine Erfahrung an, die wir machen können. Jeder braucht irgendwann einen Stellvertreter. Wenn ich in den Urlaub möchte, dann müssen andere meine Arbeit mitmachen. Finde ich keine Vertretung, dann kann ich nicht weg und bleibe hier angebunden. Für manch einen Arzt oder Pastor auf dem Lande ist das ein Problem. Freiheit hängt also mit Stellvertretung zusammen.
Das gilt nun nicht bloß für den Urlaub, sondern auch im Alltag. Den Kreislauf von Schuld, die ich begehe und Strafe, die ich dafür bekomme, diesen Kreislauf, der unseren Streit anfeuert, den können wir nicht unterbrechen. Christus vertritt uns da. Er tritt für uns ein. Also: nicht, weil Gott ein Opfer braucht, damit sein Zorn besänftigt wird, sondern weil wir die Versöhnung nicht begründen können, darum stirbt Christus. Mit seinem Tod tritt er für uns ein, damit wir uns miteinander versöhnen können. Das gelingt freilich nur, wenn ich auch glaube, dass meine Schuld vor Gott beglichen ist. In dieser Freiheit bin ich dann so frei, dass ich, wie der Klügere im Sprichwort, handeln kann, nämlich nachgeben. Aber, wie gesagt, dass mir dies gelingt, das liegt nicht an meiner Kraft; das hat seinen Grund in jenem Kreuz, an das wir heute denken. Gott leidet mit uns, damit wir aufhören, Leiden zu produzieren.

Karfreitag erinnert daran, warum uns das möglich ist. Der Grund ist, dass Christus den Kreislauf von Schuld und Strafe, der den Streit hervorruft, unterbricht. Er tritt an unsere Stelle und wir sind durch ihn vertreten. Wir werden so frei gemacht, dass wir dann auch so frei sein können, als der Klügere nachgeben zu können oder den ersten Schritt zu wagen, ohne den es nicht zur Versöhnung kommt.
Lassen wir gelten, was bei Gott gilt. Dann hat das Sterben Jesu damals auch heute seinen Sinn. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

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