Moment Mal
von Pfarrer Sacha Sommershof
Ecce homo! - Seht, der Mensch!
Am vergangenen Palmsonntag begann für die Christen die sogenannte Karwoche. Mit ihr endet die Passionszeit, jene Wochen im Jahr der Kirche, in denen der Leidensweg Jesu Christi nachvollzogen wird. An vielen Orten gab es in dieser Zeit besondere Andachten, in Fastengruppen haben sich Menschen auch ganz körperlich in diese Zeit hineingegeben und in Passionskonzerten wurde dem Leiden auf künstlerlische Art und Weise gedacht. Mit dem Karfreitag erreicht die Passionszeit nun ihren Höhepunkt, für viele Christen ist es der wichtigste Tag im Verlauf eines Jahres, und gleichzeitig ist es auch der Tiefpunkt einer Geschichte, die unmittelbar mit uns Menschen zu tun hat.
Der Mensch Jesus wird auf grausamste Art am Kreuz hingerichtet, obwohl er unschuldig ist. Politische und religiöse Machtinteressen haben dorthin geführt und eine verführbare Menschenmenge, die Jesus erst feierten und dann lautstark seine Hinrichtung forderten. Was können Menschen einander antun! Einer, der am Ende die Entscheidung fällen muss, macht darauf aufmerksam, dass es hier nicht um einen Fall geht, über den geurteilt werden muss, sondern um das Schicksal eines Menschen. Vielleicht war es Kalkül, vielleicht tatsächliches Mitgefühl, aber inmitten von Geißelung und unfairem Prozess führt der römische Statthalter in Jerusalem Pontius Pilatus der aufgebrachten Menge vor Augen, dass dort ein Mensch steht, verhöhnt, am Ende seiner Kraft und blutüberströmt durch eine Krone aus Dornen, die ihm auf den Kopf gedrückt wurde: Ecce homo – Seht ein Mensch!
Man kann der religiösen Aussage des Karfreitages gleichgültig gegenüberstehen oder sich auch über die besonders strikten Verbote an diesem Tag ärgern. Vom Leiden des Menschen, das an diesem Tag in besonderer Weise in den Blick gerät, darf man aber nicht unberührt bleiben. „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, das sagt Jesus an anderer Stelle. Der Blick auf sein Leiden ist auch der Blick auf das Leiden unserer Menschengeschwister heute und in unserer Welt. Die Orte des Leidens sind kaum zu zählen, das Ausmaß des Leidens ist nicht zu fassen und immer sind es Menschen: Ecce homo – Seht, es ist ein Mensch, der dort leidet. So wird der Karfreitag ein Tag des Berührtseins und des Mitleidens, ein Tag des stillen Gedenkens und auch des Aufschreis.
Gibt es einen Lichtblick und Hoffnung bei all dem Leiden? Wir Christen erkennen in dem leidenden Jesus am Kreuz und mit ihm in allen Leidenden einen mitfühlenden und mitleidenden Gott. Vielleicht scheint es zu wenig für den Glauben an einen allmächtigen Gott zu sein, aber in diesem göttlichen Mitleid leuchtet das Ende menschlichen Leidens auf. Deswegen feiern wir Ostern als ein Hoffnungsfest, dass unser Mitleid, unser Hinsehen auf unseren Mitmenschen nicht umsonst ist, sondern der Beginn einer anderen Wirklichkeit für unsere Welt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Osterfest.
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