Moment Mal
von Pfr. i.R. Stephan Flade
„Land in Sicht“, weil Engel wirken
Seit vier Monaten bin ich wieder Prignitzer Bürger. Da sehe ich, was sich alles verändert. Mit einem Blick von außen, einer Sicht von oben, als Draufsicht eines Angekommenen. Ich entdecke vertraute Gesichter, alte Freunde, älter geworden sind sie alle – auch ich. Manche der alten Perspektiven gibt es nicht mehr. Dafür bietet sich Neues, ganz unspektakulär, ziemlich verborgen. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man die neue Perspektive. Davon will ich erzählen.
Im Aufbruch zu neuen Entwicklungen sind mir einige Engel begegnet. „Engel. Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein“, die Worte von Rudolf Otto Wiemer kennen wir aus seinem Gedicht. Für mich sind sie Boten einer veränderten Wirklichkeit, diesseits und jenseits der Elbe.
Der FestLand e.V. aus Klein Leppin traf auf das RSO im Scharoun-Bau der Berliner Philharmonie. Prignitz traf Hochkultur. Manchmal war ich auch in einer Generalprobe der dort arbeitenden Orchester und Chöre, entdeckte diese Musikwelt. Dass sich der Verein zum Mittler dieser Welten andient, das ist ein „englischer“ Botendienst von Steffen Tast. Das hat etwas von „Guter Nachricht“, von Evangelium in normaler Alltagsgestalt. Welten begegnen sich. Unterschiedliche Sichten werden transparent, öffnen sich.
Im sanierten Kommandeurshaus sah ich, wie die qualitätvolle Barock-Architektur von 1770 für gegenwärtige Ansprüche geöffnet wird. Herr Dombrowski war der Engel, der uns als Mitstreiter unter vielen anderen in Werben, diese Welt eröffnete. Sie gründet im christlichen Glauben der Johanniter, die die Kirche bauten. Handel und Hanse folgten, auch preussisches Militär und eine erhaltenswerte Stadtkultur an der Elbe. Menschen eröffnen uns die Verbindung von Himmel und Erde. Friedrich Schorlemmer wuchs dort als Pfarrerssohn auf, nachdem er in Wittenberge geboren wurde.
In Wittenberge wurde die Frage nach Gott ganz öffentlich präsentiert und diskutiert. Die Ausstellung „Weltreligionen“ war im Kultur- und Festspielhaus zu sehen. Das hätte man sich doch vor Jahren nicht träumen lassen, das gläubige Christen zu Wissensvermittlern in der differenzierten Welt der Religionen werden. Dieser Engelsbotendienst wird in unserer komplizierten Gesellschaft dringend gebraucht. In vormaligen Zeiten stand Wittenberge für rauchende Schornsteine, für eine harte Ausgrenzung religiöser Traditionen und den Klassenkampf materialistischer Betonköpfe. Aus Häme und Ausgrenzung wuchs in und nach der Wende ein vertrauensvoller Dialog zum Wohl der Bewohner, alter und neuer, Deutscher und Nicht-Deutscher.
Ebenso berührt mich die Arbeit von Diakoniestation, AWO-Kleiderkammer, Verteilstelle der „Tafel“ zugunsten der ärmeren und bedürftigen Menschen in dieser Stadt.
Das alles geschieht im Jahr des Reformationsjubiläums. Wir sind nicht das Zentrum dieser weltverändernden Botschaft, leider haben die Quitzows und Putlitzens Martin Luther nicht nach Wittenberge eingeladen. - Doch keiner sage, dass es in der Prignitz wie auch in der Altmark – diesseits und jenseits der Elbe – keine Engel gäbe. Veränderungen und Aufbrüche sind zu spüren, wenn man mit offenen Augen und Herzen diese Bewegung entdeckt.
In Potsdam stand der Stadtempfang unter dem Leitwort „Stadt trifft Kirche“. Hier könnte es heißen „Land in Sicht“, weil Engel still und energievoll wirken.
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