Moment Mal
von Pfrn. Verena Mittermaier
Familiensinn
Es ist eine gewöhnliche Familie, Vater, Mutter, zwei Söhne, beide gerade erwachsen. Den Jüngeren zieht es in die Ferne. Sachen packen, seiner Wege gehen, die Eltern nicht länger um Erlaubnis oder nach ihrer Meinung fragen, eigene Entscheidungen treffen. Der Ältere wundert sich. Für ihn ist zuhause eine Karriere vorgezeichnet. Arbeitet er doch schon im Betrieb des Vaters mit. Eines Tages wird es sein eigener Betrieb sein. Er will nicht weg. Was ihn ärgert: sein Bruder zieht nicht nur von zuhause aus, er nimmt auch seinen Teil des Ersparten mit, das die Eltern seit Jahren zurücklegten. Einfach so. Die Eltern lassen es geschehen. Wie will mein Bruder seine Zukunft absichern, wenn er jetzt schon das Erbe auf den Kopf haut? Der Ältere findet das unverantwortlich. Naja, typisch Bruder.
Jahre später. Feierabend im Betrieb, alle sind gegangen. Der Juniorchef kontrolliert noch einmal den Bestand, bringt die Abrechnung zu Ende, dann schließt er ab. Beim Rübergehen zum Wohnbereich stutzt er. Festbeleuchtung? Ist Besuch da? Musik dringt nach draußen. Es duftet nach leckerem Essen. Als jemand über den Hof läuft fragt er nach: Gibt’s drinnen was zu feiern? – Noch nicht gehört?, meint der andere. Dein Bruder ist wieder da! Drinnen steigt ein riesen Fest! Dein Vater hat was springen lassen für ein großes Catering. Es sind richtig viele Leute da. Geh mal rein!
Wissen Sie, wie die Geschichte weitergeht?
Im Lukasevangelium der Bibel wird der ältere Bruder zornig. Er weigert sich, mitzufeiern. Er macht dem Vater Vorwürfe: Mein Bruder kriegt eine riesen Party bezahlt? Der hat doch schon das Erbe verprasst! All die Jahre hat er sich hier nicht blicken lassen. Sich um nichts gekümmert. Jetzt ist ihm das Geld ausgegangen. Und du hat nichts Besseres zu tun, als noch mehr für ihn auszugeben. Was ist eigentlich mit mir? Ich hab die ganze Zeit nur malocht. Alles für den Familienbetrieb gegeben. Hast du jemals mir und meinen Freunden ein großes Fest spendiert? Fehlanzeige!
Und der Vater? Er nimmt den Argumenten des Älteren den Wind aus den Segeln: „Mein Sohn, du warst immer bei mir. Alles, was mir gehört, gehört auch dir. Wollen wir uns freuen! Denn dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden. Er war verloren und ist wiedergefunden.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser, als evangelische Pfarrerin hat es mich beeindruckt, aus dem Mund meines katholischen Kollegen folgende Auslegung dieser Erzählung von Jesus zu hören, passend zum 500 jährigen Jubiläum der Reformation. Zwar hat die Analogie ihre Grenzen. Aber wie ist das mit den beiden Geschwistern und ihrem Verhältnis zum Vater? Der eine, der ältere, war und blieb immer da (man kann an die katholische Kirche denken) –, der jüngere brach aus, ging eigene Wege (Martin Luther, der Protestantismus). Wer war im Recht? Wer handelte richtig? Wer lud Schuld auf sich?
Am Ende des Gleichnisses zeigt sich: Keiner von beiden steht besser oder schlechter da. Gegenüber beiden erweist sich Gott, der Vater, als barmherzig. Beide nennt er „mein Sohn“. Beiden begegnet er voller Liebe. Es ist eine Art Dreiecksgeschichte. Jeder der beiden Brüder hat seinen ganz eigenen Bezug zum Vater. Der ist das verbindende Element, bei aller Unterschiedlichkeit. Eine Familie bleiben sie, soviel ist klar – dem Vater sei Dank. Solch ein Bewusstsein für die Verbundenheit der verschiedenen christlichen Kirchen, solchen „Familiensinn“ wünsche ich mir für das Jahr des Reformationsjubiläums 2017.
Verena Mittermaier
Es ist eine gewöhnliche Familie, Vater, Mutter, zwei Söhne, beide gerade erwachsen. Den Jüngeren zieht es in die Ferne. Sachen packen, seiner Wege gehen, die Eltern nicht länger um Erlaubnis oder nach ihrer Meinung fragen, eigene Entscheidungen treffen. Der Ältere wundert sich. Für ihn ist zuhause eine Karriere vorgezeichnet. Arbeitet er doch schon im Betrieb des Vaters mit. Eines Tages wird es sein eigener Betrieb sein. Er will nicht weg. Was ihn ärgert: sein Bruder zieht nicht nur von zuhause aus, er nimmt auch seinen Teil des Ersparten mit, das die Eltern seit Jahren zurücklegten. Einfach so. Die Eltern lassen es geschehen. Wie will mein Bruder seine Zukunft absichern, wenn er jetzt schon das Erbe auf den Kopf haut? Der Ältere findet das unverantwortlich. Naja, typisch Bruder.
Jahre später. Feierabend im Betrieb, alle sind gegangen. Der Juniorchef kontrolliert noch einmal den Bestand, bringt die Abrechnung zu Ende, dann schließt er ab. Beim Rübergehen zum Wohnbereich stutzt er. Festbeleuchtung? Ist Besuch da? Musik dringt nach draußen. Es duftet nach leckerem Essen. Als jemand über den Hof läuft fragt er nach: Gibt’s drinnen was zu feiern? – Noch nicht gehört?, meint der andere. Dein Bruder ist wieder da! Drinnen steigt ein riesen Fest! Dein Vater hat was springen lassen für ein großes Catering. Es sind richtig viele Leute da. Geh mal rein!
Wissen Sie, wie die Geschichte weitergeht?
Im Lukasevangelium der Bibel wird der ältere Bruder zornig. Er weigert sich, mitzufeiern. Er macht dem Vater Vorwürfe: Mein Bruder kriegt eine riesen Party bezahlt? Der hat doch schon das Erbe verprasst! All die Jahre hat er sich hier nicht blicken lassen. Sich um nichts gekümmert. Jetzt ist ihm das Geld ausgegangen. Und du hat nichts Besseres zu tun, als noch mehr für ihn auszugeben. Was ist eigentlich mit mir? Ich hab die ganze Zeit nur malocht. Alles für den Familienbetrieb gegeben. Hast du jemals mir und meinen Freunden ein großes Fest spendiert? Fehlanzeige!
Und der Vater? Er nimmt den Argumenten des Älteren den Wind aus den Segeln: „Mein Sohn, du warst immer bei mir. Alles, was mir gehört, gehört auch dir. Wollen wir uns freuen! Denn dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden. Er war verloren und ist wiedergefunden.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser, als evangelische Pfarrerin hat es mich beeindruckt, aus dem Mund meines katholischen Kollegen folgende Auslegung dieser Erzählung von Jesus zu hören, passend zum 500 jährigen Jubiläum der Reformation. Zwar hat die Analogie ihre Grenzen. Aber wie ist das mit den beiden Geschwistern und ihrem Verhältnis zum Vater? Der eine, der ältere, war und blieb immer da (man kann an die katholische Kirche denken) –, der jüngere brach aus, ging eigene Wege (Martin Luther, der Protestantismus). Wer war im Recht? Wer handelte richtig? Wer lud Schuld auf sich?
Am Ende des Gleichnisses zeigt sich: Keiner von beiden steht besser oder schlechter da. Gegenüber beiden erweist sich Gott, der Vater, als barmherzig. Beide nennt er „mein Sohn“. Beiden begegnet er voller Liebe. Es ist eine Art Dreiecksgeschichte. Jeder der beiden Brüder hat seinen ganz eigenen Bezug zum Vater. Der ist das verbindende Element, bei aller Unterschiedlichkeit. Eine Familie bleiben sie, soviel ist klar – dem Vater sei Dank. Solch ein Bewusstsein für die Verbundenheit der verschiedenen christlichen Kirchen, solchen „Familiensinn“ wünsche ich mir für das Jahr des Reformationsjubiläums 2017.
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