Moment mal
von Superintendent Hans-Georg Furian
Liebe Lesende, wenn Sie die Wahl hätten zwischen Freiheit und Gleichheit, welchem Wert würden Sie den Vorzug geben?
Individualität, Freiräume für Kreativität, Reise- und Meinungsfreiheit, Unsicherheit, Konsum, Überforderung, Entscheidungsfreiheit oder Pflicht – stehen der Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Gleichstellungsmaßnahmen, wie Quotenregelungen für die Beteiligung von Frauen, Gleichmacherei, Uniformiertheit, ja Gleichschritt gegenüber.
Vor über 20 Jahren bin auch ich für die Freiheit demonstrierend auf die Straße gezogen. Ja und in den alten Geschichten, die unsere Kinder jetzt schon gar nicht mehr hören wollen, flammt immer noch die unendliche Freude darüber auf, dass die Welt nicht an der Friedrichstraße bzw. an der Elbe zu Ende ist.
Heute, wo uns die Nachteile dieser Freiheit längst präsentiert wurden, erträumt so mancher wieder ein Mehr an Gleichheit. Und rückschauend wird die Zeit, in der wir alle irgendwie gleicher waren, auch glücklicher. Welchen Teil der Freiheit würden Sie heute dafür opfern?
In der Bibel steht folgende Geschichte zu diesem Thema (Matthäusevangelium, Kapitel 20 Vers 1 – 15):
Wenn Gott sein Werk vollendet, wird es sein wie bei dem Weinbergbesitzer, der früh am Morgen auf den Marktplatz ging, um Leute zu finden und für die Arbeit in seinem Weinberg anzustellen. Er einigte sich mit ihnen auf den üblichen Tageslohn von einem Silberstück, dann schickte er sie in den Weinberg. Um neun Uhr ging er wieder auf den Marktplatz und sah dort noch ein paar Männer arbeitslos herumstehen. Er sagte auch zu ihnen: "Ihr könnt in meinem Weinberg arbeiten, ich will euch angemessen bezahlen." Und sie gingen hin. Genauso machte er es mittags und gegen drei Uhr. Selbst als er um fünf Uhr das letzte Mal zum Marktplatz ging, fand er noch einige herumstehen und sagte zu ihnen: "Warum tut ihr den ganzen Tag nichts?" Sie antworteten: "Weil uns niemand eingestellt hat." Da sagte er: "Geht auch ihr noch hin und arbeitet in meinem Weinberg!"
Am Abend sagte der Weinbergbesitzer zu seinem Verwalter: "Ruf die Leute zusammen und zahl allen ihren Lohn! Fang bei denen an, die zuletzt gekommen sind, und höre bei den ersten auf." Die Männer, die erst um fünf Uhr angefangen hatten, traten vor und jeder bekam ein Silberstück. Als nun die an der Reihe waren, die ganz früh angefangen hatten, dachten sie, sie würden entsprechend besser bezahlt, aber auch sie bekamen jeder ein Silberstück. Da murrten sie über den Weinbergbesitzer und sagten: "Diese da, die zuletzt gekommen sind, haben nur eine Stunde lang gearbeitet, und du behandelst sie genauso wie uns? Dabei haben wir den ganzen Tag über in der Hitze geschuftet!"
Da sagte der Weinbergbesitzer zu einem von ihnen: "Mein Lieber, ich tue dir kein Unrecht. Hatten wir uns nicht auf ein Silberstück geeinigt? Das hast du bekommen, und nun geh! Ich will nun einmal dem Letzten hier genauso viel geben wie dir! Ist es nicht meine Sache, was ich mit meinem Eigentum mache? Oder bist du neidisch, weil ich großzügig bin?"
Himmlische Verhältnisse, alle bekommen das Gleiche. So funktioniert unsere Gesellschaft aber nicht, könnten Sie einwenden. Aber achten Sie bitte auf das kritische Potential, das der Himmel in unsere Überlegungen einbringt. Es geht im Gleichnis um Tagelöhner. Das eine Silberstück, das sie bekommen reicht zum Überleben für den nächsten Tag. Weniger wäre also nichts! Mit weniger Geld könnten sie auch nichts mit der größten Freiheit anfangen. Die Freiheit würde wertlos.
Darum ist Gleichheit kein Argument gegen Freiheit. Nein, soziale Gleichheit wird sogar zur Bedingung für den Zugang zu den Freiheitsgütern. Wer uns vor die Wahl stellt zwischen Freiheit = Demokratie und Gleichheit = Unfreiheit oder Freiheit = Arbeitslosigkeit und Gleichheit = Gerechtigkeit zu entscheiden, macht sich verdächtig, seine eigenen Interessen zu verfolgen und einem großen Teil der Gesellschaft die Möglichkeit die Freiheit zu nutzen, zu verwehren. Unser aller sozialer Friede hängt auch davon ab, ob wir bereit sind, allen Menschen Chancen der Beteiligung an unserer Gesellschaft einzuräumen und zwar – wie in der biblischen Geschichte auch – unabhängig davon, wie viel sie leisten, und sie nicht als Sündenböcke abschieben.
Es ist wieder Zeit sich für die Freiheit zu engagieren, in dem wir mehr soziale Gleichheit für alle fordern.
Hans-Georg Furian
Individualität, Freiräume für Kreativität, Reise- und Meinungsfreiheit, Unsicherheit, Konsum, Überforderung, Entscheidungsfreiheit oder Pflicht – stehen der Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Gleichstellungsmaßnahmen, wie Quotenregelungen für die Beteiligung von Frauen, Gleichmacherei, Uniformiertheit, ja Gleichschritt gegenüber.
Vor über 20 Jahren bin auch ich für die Freiheit demonstrierend auf die Straße gezogen. Ja und in den alten Geschichten, die unsere Kinder jetzt schon gar nicht mehr hören wollen, flammt immer noch die unendliche Freude darüber auf, dass die Welt nicht an der Friedrichstraße bzw. an der Elbe zu Ende ist.
Heute, wo uns die Nachteile dieser Freiheit längst präsentiert wurden, erträumt so mancher wieder ein Mehr an Gleichheit. Und rückschauend wird die Zeit, in der wir alle irgendwie gleicher waren, auch glücklicher. Welchen Teil der Freiheit würden Sie heute dafür opfern?
In der Bibel steht folgende Geschichte zu diesem Thema (Matthäusevangelium, Kapitel 20 Vers 1 – 15):
Wenn Gott sein Werk vollendet, wird es sein wie bei dem Weinbergbesitzer, der früh am Morgen auf den Marktplatz ging, um Leute zu finden und für die Arbeit in seinem Weinberg anzustellen. Er einigte sich mit ihnen auf den üblichen Tageslohn von einem Silberstück, dann schickte er sie in den Weinberg. Um neun Uhr ging er wieder auf den Marktplatz und sah dort noch ein paar Männer arbeitslos herumstehen. Er sagte auch zu ihnen: "Ihr könnt in meinem Weinberg arbeiten, ich will euch angemessen bezahlen." Und sie gingen hin. Genauso machte er es mittags und gegen drei Uhr. Selbst als er um fünf Uhr das letzte Mal zum Marktplatz ging, fand er noch einige herumstehen und sagte zu ihnen: "Warum tut ihr den ganzen Tag nichts?" Sie antworteten: "Weil uns niemand eingestellt hat." Da sagte er: "Geht auch ihr noch hin und arbeitet in meinem Weinberg!"
Am Abend sagte der Weinbergbesitzer zu seinem Verwalter: "Ruf die Leute zusammen und zahl allen ihren Lohn! Fang bei denen an, die zuletzt gekommen sind, und höre bei den ersten auf." Die Männer, die erst um fünf Uhr angefangen hatten, traten vor und jeder bekam ein Silberstück. Als nun die an der Reihe waren, die ganz früh angefangen hatten, dachten sie, sie würden entsprechend besser bezahlt, aber auch sie bekamen jeder ein Silberstück. Da murrten sie über den Weinbergbesitzer und sagten: "Diese da, die zuletzt gekommen sind, haben nur eine Stunde lang gearbeitet, und du behandelst sie genauso wie uns? Dabei haben wir den ganzen Tag über in der Hitze geschuftet!"
Da sagte der Weinbergbesitzer zu einem von ihnen: "Mein Lieber, ich tue dir kein Unrecht. Hatten wir uns nicht auf ein Silberstück geeinigt? Das hast du bekommen, und nun geh! Ich will nun einmal dem Letzten hier genauso viel geben wie dir! Ist es nicht meine Sache, was ich mit meinem Eigentum mache? Oder bist du neidisch, weil ich großzügig bin?"
Himmlische Verhältnisse, alle bekommen das Gleiche. So funktioniert unsere Gesellschaft aber nicht, könnten Sie einwenden. Aber achten Sie bitte auf das kritische Potential, das der Himmel in unsere Überlegungen einbringt. Es geht im Gleichnis um Tagelöhner. Das eine Silberstück, das sie bekommen reicht zum Überleben für den nächsten Tag. Weniger wäre also nichts! Mit weniger Geld könnten sie auch nichts mit der größten Freiheit anfangen. Die Freiheit würde wertlos.
Darum ist Gleichheit kein Argument gegen Freiheit. Nein, soziale Gleichheit wird sogar zur Bedingung für den Zugang zu den Freiheitsgütern. Wer uns vor die Wahl stellt zwischen Freiheit = Demokratie und Gleichheit = Unfreiheit oder Freiheit = Arbeitslosigkeit und Gleichheit = Gerechtigkeit zu entscheiden, macht sich verdächtig, seine eigenen Interessen zu verfolgen und einem großen Teil der Gesellschaft die Möglichkeit die Freiheit zu nutzen, zu verwehren. Unser aller sozialer Friede hängt auch davon ab, ob wir bereit sind, allen Menschen Chancen der Beteiligung an unserer Gesellschaft einzuräumen und zwar – wie in der biblischen Geschichte auch – unabhängig davon, wie viel sie leisten, und sie nicht als Sündenböcke abschieben.
Es ist wieder Zeit sich für die Freiheit zu engagieren, in dem wir mehr soziale Gleichheit für alle fordern.
Hans-Georg Furian
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