Moment Mal
von Pfarrer Wolfgang Nier
Der Stress
Kennen Sie das?: in einer Stunde müssen sie weg, weil sie von Tante Adelheid für ihre Crémetortengeburtstagsparty angefordert wurden. Sie haben keine Lust, aber sie müssen dahin, weils die letzte Verwandte der vorhergehenden Generation ist. Warum ausgerechnet diese schräge Familientante so uralt geworden ist, fragen sie sich ständig - aber es ist ja leider nichts dran zu ändern: sie müssen hin.
Ihre Stimmung ist nicht grade auf dem Höhepunkt, aber es dürfte reichen um die Crémetortengeburtstagsparty seelisch einigermaßen gesund zu überstehen. Während sie in fliegender Eile noch die Geschirrspülmaschine ausräumen wollen - wobei ihnen (natürlich) ihre Lieblingssalatschüssel aus der Hand rutscht und auf den Küchenfliesen in Einzelteilen zerlegt wird - klingelt zweimal das Telefon. Einmal Werbung für einen neuen Mixer und einmal ein Meinungsforschungsinstitut zu einer Umfrage zum Glücksempfinden der Deutschen. Als sie grade sagen wollen: „Ich bin glücklich, aber das geht niemanden was an.“, klingelts an der Tür und der Paketbote fragt, ob sie nicht ein Paket für die Nachbarin Frau Knesebrecht annehmen können.
Die Zeit verrinnt, der Geschirrspüler ist immer noch nicht ausgeräumt, ihr Ehepartner nörgelt, dass sie noch nicht fertig sind. Sie rennen schon fast zum Kleiderschrank um sich umzuziehen, da fällt ihnen ein, dass die Sachen, die sie anziehen wollten noch im Korb der Bügelwäsche liegen. Ihnen bricht der Angstschweiß aus, weil sie wissen, wenn sie zu spät zu Tante Adelheid kommen, quittiert sie das vor allen anderen 30 Gästen mit spitzer Zunge. Die alternativen Sachen zum Anziehen liegen – wie könnte es anders sein - im Korb für die dreckige Wäsche. Dem Hund, den ihre Hektik langsam auch nervös macht, sind sie inzwischen dreimal auf den Fuß gelatscht und die Kinder, die sie was fragen wollten, haben ihren Anbrüller auch schon hinter sich. Sie sind zwar durch das Anbrüllen der Kinder nicht besser in der Zeit, haben dafür aber ein wenigstens schlechtes Gewissen. Und als dann das Telefon das dritte Mal klingelt, können sie nur noch schreien: „Könnt ihr mich nicht alle einfach nur in Ruhe lassen.“
Wer kennt ihn nicht, diesen allerseits berühmten Stress, der alle guten Vorsätze des friedvollen und harmonischen Miteinanderlebens in einer Familie über den Haufen wirft.
Stress entsteht dann, wenn Menschen nicht gemäß ihrem persönlichen Lebenstempo leben. Jeder Mensch hat von Gott für sein Leben ein ihm ganz eigenes Tempo bekommen. Wer gegen dieses Tempo lebt bekommt Probleme: mit sich selbst und dann mit anderen. Was können wir gegen diesen Stress tun? Ein Blick auf den Umgang von Jesus mit Stress zeigen zwei Alternativen:
1. In solchen Situationen, in denen uns die Wellen über dem Kopf zusammenschlagen und zunehmend Stress unseren Tag bestimmt - ist ein Augenblick des Rückzugs, der Rückbesinnung und des Gespräch mit Gott dran: „Was willst du, was jetzt dran ist in meinem Leben?“
2. Es ist besser, sich auf das Zentrum des eigenen Lebens besinnen, als sich in der Mühle des allerlei Möglichen verschleißen zu lassen.
Von dieser Beobachtung aus, wie Jesus mit Stress umging, ergeben sich weitere Fragen und Gedanken, in deren bereits Lösungsmöglichkeiten liegen:
1. Wovor habe ich eigentlich Angst, wenn ich all das liegen lasse, was mir Stress verursacht?
Vor dem Ehepartner? Vor den Lästermäulern der Nachbarn? Der Mütter? Der Schwiegermütter? Vor meinem Über-Ich, das immer zu mir sagt: du musst dies, du musst das, du musst jenes, du bist erst gut, wenn du alles schaffst?
Gehen sie also dem, was sie antreibt auf den Grund, suchen sie die Ursache der Angst - seien sie dabei ehrlich zu sich selbst.
2. Haben sie einfach den Mut, sich den Dingen, die sie stressen zu verweigern. Ziehen sie sich für eine Zeit lang von allem zurück, lassen sie all den Kram und Tohuwabohu des Alltags hinter sich und suchen sie in der Begegnung und im Gebet mit Gott seine Gedanken zu ihrem Leben.
Fragen sie sich: wonach sehne ich mich eigentlich in meinem Leben, was hat Gott in mich hineingelegt, wo spüre ich Diskrepanzen zwischen dem, was ich tue und dem, was Gott von mir will?
3. Wenn sie eine Antwort Gottes in sich spüren: dann treffen sie Entscheidungen für ihren Alltag: Wenn sie Einfluss auf die Gründe haben, die Stress in ihnen auslösen, dann nehmen sie sich ein besseres Timing für sich selbst vor. Nehmen sie sich vor, öfter mal „Nein“, als unentwegt „Ja“ zu sagen. Das wird ihnen Tante Adelheid zwar übel nehmen, aber ihr Ehepartner, ihre Kinder und ihr Hund werden ihnen dankbar sein.
Wenn sie keinen Einfluss auf die Gründe haben, die Stress in ihnen auslösen, dann stellen sie sich die Frage in Richtung Gott: Was könntest Du mir damit sagen wollen?
Gehen sie immer davon aus: Gott möchte unseren Alltag begleiten und zwar nicht nur im Prinzip und ganz allgemein, sondern sehr detailliert und ganz konkret.
„Gott begleitet unseren Alltag“ Das ist nicht bloß eine fromme Phrase, sondern es ist eine Realität, eine Wirklichkeit. Machen sie sich diese Realität bewusst und leben sie davon – jeden Tag des neuen Jahres.
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