Moment mal
von Pfarrer Wolfgang Nier
Die Witwen
Wissen sie, was ich sehr merkwürdig finde? Haben sie schon mal eine Oper oder Operette gehört oder gesehen, die „Der treusorgende Ehemann“ heißt oder „Die liebliche Ehefrau“ „Die gehorsamen Kinder“ oder „Die spendablen Nachbarn“? Ich nicht. Aber was es gibt: „Die lustige Witwe“, eine Operette von Léhar.
Noch eine Merkwürdigkeit. Da gibt es die „Schwarze Witwe“ - eine Spinnenart, die in den USA vorkommt. Und „Schwarze Witwe“ wird sie deswegen genannt, weil sie ihren Mann nach erfolgreichem Liebesspiel, wenn er sich erschöpft in die Sofaecke zurückzieht, mit einem Giftbiss tötet. Armer Kerl. Und deswegen kommt diese Spinnenart zu ihrem ominösen Namen.
Und manche Kriminalgeschichte gibt gewissen Damen, die dank dem klassisch wirksamen Arsen das Vermögen mehrerer Männer gewinnen konnten, ebenfalls diesen Namen: Schwarze Witwen.
Es bleibt für mich schon etwas irritierend, dass ausgerechnet der für viele Frauen schwere Familienstand „Witwe“ herhalten muss, um solche Merkwürdigkeiten in der Operetten-, Tier- und Kriminalwelt zu klassifizieren.
Die reale Wirklichkeit des Lebens einer Witwe ist stattdessen eine tägliche Erfahrung, die alles andere als lustig ist.
Neben dem Schmerz des plötzlichen Allein-seins (auch Kinder können diesen Schmerz des Allein-seins nur bis zu einem gewissen Grade lindern) kommt auch bei vielen Frauen die Erfahrung des Allein-auf-sich-angewiesen-seins, manchmal auch die plötzliche Aufgabe, sich mit Dingen beschäftigen zu müssen, die immer der Mann gemacht hat, Finanzangelegenheiten, Versicherungsangelegenheiten, Autoangelegenheiten, Grundstücksfragen oder Wohnungsangelegenheiten usw. usf.
Das sind dann Probleme, insbesondere bei älteren Generationen, die bewältigt werden müssen.
Dann die Frage der Versorgung, des Lebensunterhaltes: wenn die Frauen früh Witwen wurden, oder eine Rente fällt weg, das stellt in der Unterhaltung von Haus, Wohnung und Hof durchaus vor Probleme, auch wenn Lebensversicherungen und ähnliche Absicherungen heute vor sozialen Notfallsituationen bewahren – das Leben nimmt eine rabiate Kehrtwendung.
Während an anderen Schnitt- und Wendepunkten im Leben: bei Konfirmationen, Hochzeiten, Kindsgeburten, Berufsveränderungen die Frage positiv gestellt wird: „Wie geht es jetzt lang, was muss ich tun?“ heißt im Fall der Witwe die Frage: „Wie soll das jetzt nur weitergehen?“
Es ist daher schon beachtlich, dass in der Bibel der Stand der Witwen unter einer besonderen Aufmerksamkeit steht:
So finden wir im Buch Maleachi die Warnung des Propheten, Witwen und Waisen nicht zu bedrücken und im 5. Buch Mose wird der Fluch über die gelegt, die das Recht der Witwe beugen.
Auch im Neuen Testament finden sich Notizen zur Situation der Witwen. So sagt Jesus und das geben die drei ersten Evangelien gemeinsam fast wörtlich wieder: „Wehe euch ihr Schriftgelehrten und Pharisäer. Heuchler ! Ihr verschlingt der Witwen Häuser und verrichtet zum Schein lange Gebete.“
Heute würde Jesus anders formulieren: „Weh euch ihr Banken und Versicherungen. Ihr rafft euch der arbeitslos Gewordenen Häuser und Grundstücke und rechtfertigt euch mit langem Palaver über Gesetz und Bilanzen.“
Sie sehen, die Frage der sozialen Situation von Menschen, von Schwachen, Mittellosen hat sich nur wenig geändert.
Zwei Dinge lassen sich also feststellen:
1. Witwen waren in der damaligen Zeit, wenn der Mann, der Versorger und Beschützer, als Garant für ein sicheres Leben und Wohnen starb, völlig recht- und schutzlos. Sie waren der Willkür derer ausgeliefert, die ihre schwache Situation ausnutzten, um sich deren Häuser und Gut und Hab unter die Nägel zu reißen.
Das ging sogar soweit, dass - heute würden wir sagen „Kuckuckskleber“ - die Kleider von Witwen pfändeten. Denn ebenfalls im 5. Buch Mose findet sich eine Stelle, in der Gott gebietet, dass niemand das Kleid einer Witwe pfänden soll. Dieses Gebot wäre nicht notwendig, wenn die Wirklichkeit nicht dieses Gebot notwendig gemacht hätte.
2. Dem gegenüber stellt Gott Schwache und dafür stehen in besonderer Weise die Witwen unter einen besonderen Schutz.
Im NT finden sich dazu einige Hinweise, dass es in den ersten christlichen Gemeinden tatsächliche eine tägliche geregelte Witwenversorgung gegeben hat, aber nicht nur rein äußerlich mit Essen und Kleidung, sondern es waren Frauen der Gemeinde dazu beauftragt, sich seelsorgerlich um die Witwen zu kümmern, ein völliges Novum in damaliger Zeit.
Es gilt also für Gott nicht, was rechnerisch aufgeht, wirtschaftlich zu rechtfertigen ist, was nach den gnadenlos kalten Gesetzen der Ökonomie machbar oder nicht machbar ist, sondern es gilt für Gott, ob im Umgang und der Hinwendung zu den Schwachen, den Witwen insbesondere, aber auch den Waisen, Fremdlingen, Armen, Kranken, ob da sein Wesen, das nach dem Johannesevangelium „Liebe“ ist, ob das sichtbar wird und ob wir erkennen, dass die Würde des Menschen über den wirtschaftlichen Bilanzen steht und nicht von einer aufgehenden Bilanz abhängig ist. Der Fluch Gottes steht über denjenigen, die das Recht der Schwachen beugen – und hier ist nicht das selbstgemachte Recht einer Politik gemeint, die nur Suppenkasper der Wirtschaft ist, sondern hier ist Gottesrecht und Gottesschutz gemeint und das tickt anders.
Noch eine Merkwürdigkeit. Da gibt es die „Schwarze Witwe“ - eine Spinnenart, die in den USA vorkommt. Und „Schwarze Witwe“ wird sie deswegen genannt, weil sie ihren Mann nach erfolgreichem Liebesspiel, wenn er sich erschöpft in die Sofaecke zurückzieht, mit einem Giftbiss tötet. Armer Kerl. Und deswegen kommt diese Spinnenart zu ihrem ominösen Namen.
Und manche Kriminalgeschichte gibt gewissen Damen, die dank dem klassisch wirksamen Arsen das Vermögen mehrerer Männer gewinnen konnten, ebenfalls diesen Namen: Schwarze Witwen.
Es bleibt für mich schon etwas irritierend, dass ausgerechnet der für viele Frauen schwere Familienstand „Witwe“ herhalten muss, um solche Merkwürdigkeiten in der Operetten-, Tier- und Kriminalwelt zu klassifizieren.
Die reale Wirklichkeit des Lebens einer Witwe ist stattdessen eine tägliche Erfahrung, die alles andere als lustig ist.
Neben dem Schmerz des plötzlichen Allein-seins (auch Kinder können diesen Schmerz des Allein-seins nur bis zu einem gewissen Grade lindern) kommt auch bei vielen Frauen die Erfahrung des Allein-auf-sich-angewiesen-seins, manchmal auch die plötzliche Aufgabe, sich mit Dingen beschäftigen zu müssen, die immer der Mann gemacht hat, Finanzangelegenheiten, Versicherungsangelegenheiten, Autoangelegenheiten, Grundstücksfragen oder Wohnungsangelegenheiten usw. usf.
Das sind dann Probleme, insbesondere bei älteren Generationen, die bewältigt werden müssen.
Dann die Frage der Versorgung, des Lebensunterhaltes: wenn die Frauen früh Witwen wurden, oder eine Rente fällt weg, das stellt in der Unterhaltung von Haus, Wohnung und Hof durchaus vor Probleme, auch wenn Lebensversicherungen und ähnliche Absicherungen heute vor sozialen Notfallsituationen bewahren – das Leben nimmt eine rabiate Kehrtwendung.
Während an anderen Schnitt- und Wendepunkten im Leben: bei Konfirmationen, Hochzeiten, Kindsgeburten, Berufsveränderungen die Frage positiv gestellt wird: „Wie geht es jetzt lang, was muss ich tun?“ heißt im Fall der Witwe die Frage: „Wie soll das jetzt nur weitergehen?“
Es ist daher schon beachtlich, dass in der Bibel der Stand der Witwen unter einer besonderen Aufmerksamkeit steht:
So finden wir im Buch Maleachi die Warnung des Propheten, Witwen und Waisen nicht zu bedrücken und im 5. Buch Mose wird der Fluch über die gelegt, die das Recht der Witwe beugen.
Auch im Neuen Testament finden sich Notizen zur Situation der Witwen. So sagt Jesus und das geben die drei ersten Evangelien gemeinsam fast wörtlich wieder: „Wehe euch ihr Schriftgelehrten und Pharisäer. Heuchler ! Ihr verschlingt der Witwen Häuser und verrichtet zum Schein lange Gebete.“
Heute würde Jesus anders formulieren: „Weh euch ihr Banken und Versicherungen. Ihr rafft euch der arbeitslos Gewordenen Häuser und Grundstücke und rechtfertigt euch mit langem Palaver über Gesetz und Bilanzen.“
Sie sehen, die Frage der sozialen Situation von Menschen, von Schwachen, Mittellosen hat sich nur wenig geändert.
Zwei Dinge lassen sich also feststellen:
1. Witwen waren in der damaligen Zeit, wenn der Mann, der Versorger und Beschützer, als Garant für ein sicheres Leben und Wohnen starb, völlig recht- und schutzlos. Sie waren der Willkür derer ausgeliefert, die ihre schwache Situation ausnutzten, um sich deren Häuser und Gut und Hab unter die Nägel zu reißen.
Das ging sogar soweit, dass - heute würden wir sagen „Kuckuckskleber“ - die Kleider von Witwen pfändeten. Denn ebenfalls im 5. Buch Mose findet sich eine Stelle, in der Gott gebietet, dass niemand das Kleid einer Witwe pfänden soll. Dieses Gebot wäre nicht notwendig, wenn die Wirklichkeit nicht dieses Gebot notwendig gemacht hätte.
2. Dem gegenüber stellt Gott Schwache und dafür stehen in besonderer Weise die Witwen unter einen besonderen Schutz.
Im NT finden sich dazu einige Hinweise, dass es in den ersten christlichen Gemeinden tatsächliche eine tägliche geregelte Witwenversorgung gegeben hat, aber nicht nur rein äußerlich mit Essen und Kleidung, sondern es waren Frauen der Gemeinde dazu beauftragt, sich seelsorgerlich um die Witwen zu kümmern, ein völliges Novum in damaliger Zeit.
Es gilt also für Gott nicht, was rechnerisch aufgeht, wirtschaftlich zu rechtfertigen ist, was nach den gnadenlos kalten Gesetzen der Ökonomie machbar oder nicht machbar ist, sondern es gilt für Gott, ob im Umgang und der Hinwendung zu den Schwachen, den Witwen insbesondere, aber auch den Waisen, Fremdlingen, Armen, Kranken, ob da sein Wesen, das nach dem Johannesevangelium „Liebe“ ist, ob das sichtbar wird und ob wir erkennen, dass die Würde des Menschen über den wirtschaftlichen Bilanzen steht und nicht von einer aufgehenden Bilanz abhängig ist. Der Fluch Gottes steht über denjenigen, die das Recht der Schwachen beugen – und hier ist nicht das selbstgemachte Recht einer Politik gemeint, die nur Suppenkasper der Wirtschaft ist, sondern hier ist Gottesrecht und Gottesschutz gemeint und das tickt anders.
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