Moment Mal
von Pfarrerin Anna Trapp
„Sie haben Waffen, aber wir haben Blumen.“
In Paris tröstet ein Papa seinen kleinen Sohn, der nach den Anschlägen von Paris verängstigt ist. Der Junge ist verwundert. Blumen können doch nicht helfen, Blumen machen doch nichts. Doch der Papa sagt sehr ruhig: „Natürlich machen sie etwas, schau, jeder legt Blumen nieder. Es ist um gegen die Waffen zu kämpfen.“ Am Ende des kurzen Videos, das nun fast vor einem Jahr durch die sozialen Medien ging, schaut der Junge getröstet über das Meer von Blumen und Kerzen.
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Dieser Satz stammt aus der Bibel, aus dem Römerbrief und ist ein bei Jugendlichen beliebter Konfirmationsvers. Vielleicht, weil er so anders ist, weil er so sehr nach dem klingt wonach sich junge Menschen sehen: Weltveränderung. Wenn ich, wie in dieser Woche, den Bibelvers lese, dann kommt mir auch der eingangs zitierte Satz in den Sinn: „Sie haben Waffen, aber wir haben Blumen.“ Beides sind Sätze voller guter Kraft, Hoffnung und Inspiration. In einer Welt, in der wir als Menschen in Schuldverstickung leben, in der Gewalt häufig durch Gegengewalt beantwortet und erlittenes Leid weitergegeben wird, da weisen diese Worte auf Alternativen hin. „Sie haben Waffen, aber wir haben Blumen.“ Schon früh wurde der Bibel in Bezug auf die Forderung nach Gewaltlosigkeit Weltfremdheit vorgeworfen. Seine Feinde lieben, die andere Wange hinhalten, für die Verfolger beten – das ist doch unrealistisch, ja gefährlich. Doch warum ist Gegengewalt eigentlich so viel selbstverständlicher? Warum ist es normaler auf Waffen mit Waffen zu reagieren als mit Blumen? Warum hat Nationalismus, Abschottungs- und Aufrüstungspolitik wieder Zulauf – wo doch Völkerverständigung, Solidarität und Abrüstung erklärte Ziele der Weltgemeinschaft waren? Ich denke Gewalt ist darum eine so mächtige Versuchung, weil sie so tut als könne sie Sicherheit bieten. Doch schon Bonhoeffer wusste: „Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden.“ Denn Sicherheit suchen bedeutet den anderen misstrauen, ihnen Böses zutrauen mich allein für Gut halten.
Das Böse mit Gutem überwinden heißt dagegen, kreative neue Wege zu suchen und zu gehen. Wege, die auch mich selbst aus der Spirale der Gewalt befreien, nicht nur in der ganz großen Politik, sondern ganz konkret in Familie, Gemeinde, Nachbarschaft, auf der Arbeit, in der Schule. Auch dieser Friede ist ein Wagnis, weil ich mich schutzlos hineinbegebe, weil ich verletzt werden kann. Und doch ist die Hand, die ich zur Versöhnung reiche machtvoller, als die zum Gegenschlag. Meinem Lächeln mag Verachtung entgegenschlagen, aber es macht meinen Tag schöner. Ich kann meine eigenen Schuldanteile aussprechen und muss nicht in einem ewigen gegenseitigen Beschuldigungsgefecht ersticken. Darum, wenn ich wirklich den Frieden suchen will muss ich vertrauen lernen. Ich darf meinem Gegenüber die Möglichkeit einräumen ganz anders zu sein als ich es einschätze, ganz anders zu handeln, zu reagieren, als ich es – auf Grund meiner Vorurteile oder meiner bisherigen Erfahrung - vermute.
Angst, Feindschaft und Gewalt haben keine Chance gegen Mitmenschlichkeit, Einfühlsamkeit und Hoffnung sondern werden durch sie überwunden. Die Blumen und Kerzen der Trauer, die überall auf der Welt nicht nur in Paris immer wieder niedergelegt werden, sind Hoffnungszeichen. Blumen und Kerzen nicht nur für die Toten, sondern für die Lebenden.
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