Moment Mal
von Rebecca Cyranek
Anfang Mai fand in Berlin die re:publica statt. Eine Konferenz zu allerlei Themen der digitalen Gesellschaft. Die Vorträge lassen sich nachträglich bei YouTube anschauen und einer hat es mir besonders angetan: Kübra Gümüşay, eine Journalistin aus Hamburg, sprach über „Organisierte Liebe“. Hass, der nicht nur im Internet allgegenwärtig ist - vor allem gegenüber Frauen und Minderheiten - sondern auch in der physischen Welt, soll mit Liebe beantwortet werden. Hass, den Kübra Gümüşay als praktizierende und Kopftuch tragende Muslima, leider viel zu oft am Leib erfahren muss und der ihr so viel Angst macht. Und das, was sie diesem Hass entgegen setzen will ist Liebe. Wir sollen sagen, wie wundervoll wir einander finden, wie sehr wir beeindruckt sind von Dingen, die andere Menschen getan haben oder für die sie sich einsetzen:
„Wenn du etwas gut findest, dann sag das doch! Dann feiere das doch. Die Person, die Ideen, die Werte, die Texte! Wir müssen einander feiern. Ich finde dich toll! Ich bin ein Fan von dir! Und zwar von lebenden Menschen und nicht nur von Toten.“ (Kübra Gümüşay)
Wir sollten die Menschen mit Liebe überhäufen, denen von einem großen Teil der Gesellschaft sowieso schon das Leben schwergemacht wird. Ich denke hierbei an all die Homosexuellen, die behinderten Menschen, die Transgender, die Geflüchteten, aber auch an die vielen, oft alleinerziehenden Frauen in diesem Land, die täglich darum kämpfen mehr von staatlicher Seite unterstützt zu werden. Wir sollten all diese Menschen unterstützen, ihnen damit Kraft geben und zur Seite stehen.
Und wie oft sagen Sie eigentlich zu Ihren Nächsten, dass Sie sie toll finden? Wie oft äußern sie ihre Anerkennung an Ihre Partner für die Zeit, Liebe und Energie, die in die Kinder, den Haushalt, die Haustiere oder den Beruf gesteckt wird? Und: wie oft sagen Sie zu sich selbst eigentlich: „Ich finde dich toll!“? Liebe, die sie verteilen, müssen Sie auch für sich selbst empfinden: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ Betonen Sie doch einmal gedanklich den zweiten Teil des Satzes. Lieben Sie sich selbst? Was an sich lieben Sie denn am meisten? Ich bin mir sicher, da gibt es so einiges, auch wenn Sie es vielleicht nicht im ersten Moment zugeben wollen.
Und was ist mit all den Menschen, die so viel Hass in die Welt hinaus schreiben und schreien? Glauben Sie, dass diese Menschen sich selbst lieben? Oder sollten wir diese Menschen eher dafür bedauern. Bedauern dafür, dass sie möglicherweise zu wenig geliebt wurden. Oder das die Liebe an Bedingungen, an Leistung in der Schule, der Kunst oder im Sport geknüpft wurde? Daraus entstand vielleicht der Hass, der jetzt an ihnen nagt und den sie jetzt an andere Menschen weitergeben.
Wie können wir auch denen helfen? Ich glaube, dass auch hier die Antwort nur lauten kann: wir müssen unsere Liebe geben. Täglich. Bedingungslos. Ein Leben lang. Und wenn wir damit beginnen einander bedingungslos zu lieben – ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten - und damit schon bei unseren Kindern, unseren Enkeln oder den Kindern von Freunden anfangen, dann können wir vielleicht den Hass auf dieser Welt endlich dorthin schicken, wo er hingehört: in den Papierkorb der Welt. Lassen Sie uns sofort damit anfangen. Amen.
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