Moment Mal
von Pfarrerin Anna Trapp
„Großes Herz! Sieben Wochen ohne Enge“
An Aschermittwoch ist alles vorbei, dann beginnt die Fastenzeit. In den 40 Tagen vor Ostern (die Sonn- und Feiertage werden nicht mitgezählt und sind fastenfrei) erinnern sich Christen an das Leiden und Sterben Jesu und begehen diese sieben Wochen als Zeit der Einkehr, der Umkehr und Besinnung. Die Klassiker des Fastens sind der Verzicht auf Süßes, der Versuch das Rauchen aufzugeben, weniger oder kein Fleisch zu essen oder nicht fernzusehen. Einige haben sich für die nächsten Wochen aus den sozialen Netzwerken verabschiedet. Menschen fasten unterschiedlich.
„7 Wochen Ohne“ heißt die Fastenaktion der evangelischen Kirche. Und in diesem Jahr steht sie unter dem Motto „Großes Herz! Sieben Wochen ohne Enge“. Wir sind eingeladen, zu entdecken, was das Herz weit macht.
Die Fastenaktion zielt mitten hinein in unseren Alltag, in die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen dieser Tage. Die Frage nach dem Umgang mit geflüchteten Menschen, wie viele von ihnen in Deutschland Aufnahme finden können, bewegt viele Herzen. Herzen, die sich engagieren und Herzen, die sich ängstigen. Herzen, die hören und Herzen, die sich verschließen. Herzen, die aufgeregt schlagen und Herzen, die Ruhe ausstrahlen. Viele Herzen sind bewegt.
Dabei gibt es m.E. kein falsch und richtig, wie Herzen zu schlagen haben. Wenn Menschen als herzlos diffamiert werden, zeugt das eben auch nicht vom „großen Herzen“. Sieben Wochen ohne Enge bedeutet für mich, auch dialogbereit denen gegenüber zu bleiben, die meinem Standpunkt widersprechen. Derzeit wird innerhalb unserer Kirche diskutiert, wie bei den kommenden Gemeindekirchenratswahlen mit AfD-Mitgliedern umgegangen werden soll, die sich um ein Amt bewerben. Denn in den aktuellen Diskussionen werden von der Parteispitze immer wieder Äußerungen in Richtung Kirche laut, die mit dem Evangelium Jesu Christi nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Doch kann man ein einfaches Parteimitglied für diese Parolen belangen? Klar ist für mich: Wer nachweisbar selber menschenverachtende Parolen in die Welt setzt, kann nicht auf die Wahlliste. Wir müssen als Kirche eine deutliche Position beziehen, gleichzeitig aber auch gezielt den Dialog mit denjenigen suchen, die aus Angst oder Unkenntnis unsere Position nicht vertreten.
Denn die Pluralität der Meinungen auszuhalten ist die spannungsvolle Herausforderung demokratischer Kultur und eine Dimension der Feindesliebe, die uns als Christenmenschen geboten ist. Jesus von Nazareth hat immer wieder die Auseinandersetzung auch mit denen gesucht, die radikal andere Positionen vertraten als er. Sich inhaltlich zu streiten, um den rechten Weg zu ringen, im Bewusstsein um unser menschliches Stückwerk, ist darum von den Anfängen des Christentums her Teil unserer Identität. Ich persönlich wünsche mir für diese Aufgabe ein kreatives und mutiges Herz, nicht nur in dieser Fastenzeit.
Einen Kommentar schreiben