Moment mal
von Pfarrer Sacha Sommershof
Doch nun genug mit Sorgen und Zagen
Es ist Mittwoch, ich stehe am Bügelbrett. Um es erträglicher zu machen, läuft das Radio – ein Sender, der klassische Musik spielt. Die Moderatorin kündigt das nächste Stück an: Franz Lizst, Variationen über die Kantate Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen von Johann Sebastian Bach. Ich sehe den Korb mit der Bügelwäsche und mache mir meine Gedanken. Es ist ein trauriges, fast düsteres Stück. Als es vorbei ist, ertönt wieder die Stimme der Moderatorin. Sie nennt noch einmal den Titel und sagt dann: „Doch nun genug mit Sorgen und Zagen. Gleich folgen die Nachrichten und danach die Sendung „Passagen“.“ Dann kommen die Nachrichten und ich höre Meldungen über die Griechenlandkrise, über die Auseinandersetzungen in der Ukraine, über einen amerikanischen Polizisten, der auf einen Wehrlosen schießt, über das Flüchtlingslager Jarmuk in Syrien und über ein Attentat in Afghanistan. Was hatte ich die Radiomoderatorin noch sagen hören? „Doch nun genug mit Sorgen und Zagen“, und ich denke, ja, es wäre schön, wenn man das einfach einmal sagen könnte. Es ist ein Gedanke, den vielleicht viele von Zeit zu Zeit haben: Es ist genug, ich kann die Nachrichten nicht mehr hören und ich ertrage es nicht mehr, wie es in der Welt zugeht mit all den Kriegen und Krisen. Und wie schön wäre es, man könnte all dies mit einem Satz beenden.
Wir befinden uns mitten in der Osterzeit. Die Auferstehung Jesu hat die Welt verändert, das ist der Kern der Osterbotschaft. Das Leben hat über den Tod gesiegt, wir haben eine Hoffnung, die über das Sorgen und die Dunkelheiten des Lebens hinaus in eines ohne Tränen und Leid weist. Das leere Grab am Ostermorgen ruft uns für einen Moment zu: Es ist genug mit Sorgen und Zagen! Doch so klar man am Osterfest diesen einen Satz hört, genauso schnell ist er von der Realität der Welt wieder übertönt. Ist die Osterbotschaft deswegen aber sinnlos und für unsere Welt unpassend? Nein, denn Ostern so zu verstehen, dass alle Nöte, alles Klagen und alle Angst von jetzt auf gleich verschwunden wären, wäre weltfremd. Ostern klammert die Wirklichkeit der Welt nicht aus, weil auch Jesus mitten in dieser Welt gelebt hat, mit all der Furcht und Angst, die sie verbreitet. In einer Rede zu seinen Jüngern fasst er das so zusammen: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Er wusste, dass Weinen, Klagen, Sorgen und Zagen zum Leben gehören. Er setzte dieser, mitunter unerträglichen, Einsicht, sein 'Aber' entgegen, das in seinem Tod und seiner Auferstehung Wirklichkeit wird. Jesus begründet die Hoffnung auf die Überwindung der Welt, so wie sie jetzt ist und wie wir unter ihr leiden. Mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung hat er uns die Zuversicht geschenkt, dass wir, nicht so unbedacht wie die Radiomoderatorin, sondern mit Hoffnung sagen können: „Doch nun genug mit Sorgen und Zagen“, zumindest dann und wann.
Eine weiterhin gesegnete Osterzeit wünscht Ihnen
Pfarrer Sacha Sommershof.
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