Moment mal
von Pfarrer Sacha Sommershof
Rollenfindung
In der letzten Woche war ich mit der Familie bei einem Rosenmontagsumzug. Für die Kinder waren die Kamelle und andere Süßigkeiten, die von den Wagen geworfen wurden, das wichtigste. Doch auch die Kostüme und Vekleidungen, die die vielen Menschen auf der Straße anhatten, waren schön anzusehen. Besonders gut zu beobachten war, dass die Kostüme nicht nur zu äußerlichen Veränderungen, sondern auch zu anderem Verhalten führten – manch einer traute sich mehr, als sonst in seinem Alltag. Auf die Kostüme und die Möglichkeit, für einen Tag in eine andere Rolle schlüpfen zu können, hatten sich augenscheinlich die Jecken und Karnevalsbegeisterten das ganze Jahr über gefreut. Wie ist es mit Ihnen – stellen Sie sich auch manchmal vor, einfach einmal aus dem Rahmen zu fallen, jemand sein zu können, der Sie in Ihren Gedanken schon immer sein wollten oder sich auch zu trauen, einfach etwas zu sagen oder zu tun, wofür Sie sonst den Mut nicht aufbrächten? Wahrscheinlich gehen jedem im Leben von Zeit zu Zeit solche Gedanken durch den Kopf und es ist auch schön, sich einfach einmal in einer anderen Rolle vorzustellen, so wie sich die Karnevalsjecken einmal im Jahr an ihren Verkleidungen freuen.
Manchmal jedoch findet man sich in Rollen wieder, die man sich nicht selbst gewählt hat, sondern in die man durch Umstände oder andere Menschen hineingedrängt worden ist. Obwohl man sich unwohl fühlt, füllt man diese Rollen aus, macht auch manchmal gute Miene zum bösen Spiel. Da drückt der Chef immer mehr Arbeit auf, weil er seinen Betrieb nicht besser organisiert bekommt und die Überstunden häufen sich auf, und doch bleibt man in der Rolle des Angestellten, der, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, notgedrungen die Arbeit mitmacht. Da geht man in der Familie oder im Freundeskreis Streit aus dem Weg, weil man den Schein des intakten Zusammenlebens unbedingt nach außen aufrecht erhalten will. Da wird man ständig in den Medien mit Schönheitsidealen konfrontiert, die es zu erstreben gilt und die ein Rollenbild des modernen und erfolgreichen Menschen suggerieren, die alle anderen zumindest als minder bewerten.
Letzteres nimmt die diesjährige evangelische Fastenaktion „7-Wochen-ohne“ auf, die noch bis Ostern läuft und unter dem Motto „Du bist schön – 7 Wochen ohne Runtermachen“ steht. Kein klassisches Fastenthema, aber das Angebot, sich in dieser Zeit des Jahres einmal mit sich selbst auseinanderzusetzen und zu schauen, wo man sich selbst unter Druck setzt oder von außen mit Rollenbildern und Erwartungen unter Druck gesetzt wird. Sich diesem Druck zu erwehren, fällt nicht gerade leicht. Doch helfen kann eine Rolle, die Gott uns Menschen zugedacht hat, nämlich als seine Ebenbilder eine besondere Würde zu haben, die durch nichts und niemanden herabgesetzt werden kann. Es ist ein besonderes Selbstbewusstsein, das Gott uns schenkt und uns unsere je eigene Rolle in dieser Welt finden lässt – dazu stärke Er Sie alle.
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