Moment mal
von Pfarrer Rudolf Klehmet
10 Jahre Hartz IV und Agenda 2010
Vor 10 Jahren bestimmte in der gesellschaftspolitischen Debatte Deutschlands ein Begriffspaar die Schlagzeilen: Agenda 2010 und Hartz IV. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündete zuvor vor dem Bundestag:
„Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“
Für Kritiker bedeutete dies den Abschied vom Sozialstaat der alten Bundesrepublik.
Bis heute scheiden sich an Agenda 2010 und Hartz IV die Geister.
So sagen die einen: Die Agenda 2010 hat Deutschland wirtschaftlich an die Spitze Europas gebracht- vom einst kränkelnden Mitspieler zum Spitzenreiter!
Andere halten dagegen: Für sie bedeutet Hartz IV staatlich verordnete Armut. (Heiner Geißler)
Was ist richtig? Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Auffallend ist jedoch, dass diejenigen, die selber nicht von diesen Reformen betroffen sind, eine positive Bilanz ziehen. Deutschland geht es inzwischen besser, aber ob dies in erster Linie der Agenda 2010 zuzuschreiben ist?
Andererseits hat die Agenda 2010 es geschafft, die bisherige Sicherung des Lebensstandards vieler abzuschaffen.
Die Rentenhöhe wird von rund 70 % auf 43 % im Jahr 2030 abgesenkt. Schon jetzt sieht man ältere Menschen in den Abfallkörben nach Pfandflaschen suchen. Altersarmut wird ein bedrängendes Problem unserer Gesellschaft. Die Fürsorgepflicht des Staates für den einzelnen wird zurückgenommen, der einzelne soll selbst für das Alter vorsorgen. Aber wie? Niedrige Löhne und Phasen von Arbeitslosigkeit lassen dies vielfach nicht zu.
Arbeitslosigkeit wird nicht als strukturelles Problem gesehen, sondern als Problem, das in der Person der Arbeitslosen liegt.( Prof. Segbers)
Übrigens beziehen sich die Menschenrechte der Vereinten Nationen auch auf soziale Rechte wie das Recht auf Arbeit. Auch wenn dieses Recht juristisch nicht einklagbar ist, bleibt seine Einlösung eine immerwährende Aufgabe der Gegenwart und Zukunft.
So sind Agenda 2010 und Hartz IV kritisch zu hinterfragen, wenn man sie an dem Ziel misst, mehr gute, existenzsichernde Arbeit zu erzeugen. Es gibt zwar mehr Arbeit als noch vor Jahren, doch oft reicht ihr Lohn nicht aus, um davon leben zu können. Es muss aufgestockt werden, und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bleibt kaum möglich. In den Betrieben herrscht Angst, in Hartz IV abzurutschen.
Unter Reichskanzler Bismarck wurde in Deutschland ein weltweit anerkanntes Sozialsystem aufgebaut.
„Nächstenliebe in gesetzlicher Betätigung“, so nannte Bismarck die Sozialgesetzgebung.
Lutherische Christen in politischer Verantwortung waren maßgeblich an der Schaffung des Sozialstaates in Deutschland beteiligt.
Heute setzt sich die kirchliche Diakonie dafür ein, dass jeder ein menschenwürdiges Existenzminimum erhält, weil jeder ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe hat.
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Kommentar von W. Nier |
Der letzte Satz irritiert mich. War das jetzt Ironie, ein abgebrochener Schluss oder war das ernst gemeint?
W. Nier