Moment mal
von Pfarrer Tilmann Kuhn
Der unerfüllte Traum vom Frieden
Heute ist Weltfriedenstag, ein in Deutschland wichtiger Tag, auch als Antikriegstag begangen, weil am 1.9.1939 der von Deutschland ausgehende Zweite Weltkrieg begonnen wurde. Ich konnte diesem Tag eine Orientierung abgewinnen, die etwas Menschliches zum Ausdruck bringt: den Traum vom Frieden.
Der Traum vom Frieden ist so alt wie die Menschheit. Ebenso lange ist er unerfüllt. Der Friede in Europa steht auf tönernen Füßen. Zum einen beruhte er auf einem Gleichgewicht des Schreckens unter Androhung auslöschender Gewalt gegenüber der Menschheit. Zumandern brachte er ein unvorstellbares Arsenal von Waffen hervor, deren Potenzial solange virulente Gefahr mit sich bringt, wie diese Waffen existieren. Zum dritten nahm er in Kauf, dass stellvertretend in anderen Teilen der Welt Krieg und staatlicher Terror tobten: in Korea, in Algerien, im Kongo, in Vietnam, in Chile, in Nikaragua, in Palästina.
Der Traum vom Frieden ist ein Traum der Schwachen. Es ist ein so unerfüllbarer Traum, dass er sich in den Bildern einer jenseitigen, zukünftigen Welt religiös zum Ausdruck brachte. "Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen" hat Jesus Christus diesen Traum in der Bergpredigt in Worte gefasst und, gegenüber einem seiner Freunde: "wer das Schwert nimmt, der soll durch’s Schwert umkommen!".
Es gilt, sich zu entscheiden für den Weg der Stärke oder den der Schwäche. Entscheide ich mich für den Weg der Stärke, der Realpolitik, des Kampfes gegen diejenigen, die den Frieden bedrohen oder brechen, den Weg des gewalttätigen Glaubens? Ich selbst war äußerlich auf diesem Weg, als ich den Grundwehrdienst in der NVA mit der Waffe ableistete. Die Politik war dennoch das Geschäft der Anderen und ich behielt mir vor, im Ernstfall den Befehl zum Schießen zu verweigern.
Oder entscheide ich mich für den Weg der Schwäche, der politischen Träume, der Suche nach Gespräch und Verständigung ohne Gewaltandrohung, den Weg des friedfertigen Glaubens, des zivilen Ungehorsams? Auch dieser Weg gehört zu meiner Biographie, nicht nur durch und den Dienst im Pfarramt, sondern durch meine Verweigerung jeglichen Waffendienstes mit dem Datum des ersten Septembers 1990.
Er ist in einer Zeit zunehmender Konflikte dennoch nicht am Ende, der Traum vom Frieden. Er wird getragen von Menschen, die daran glauben, dass die Menschheit auch ohne Waffen leben kann. Nicht ohne Grund gelten die großen Menschen der Geschichte als Hoffnungsträger: Martin Luther King, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela.Sie hatten eine Entscheidung getroffen für den Weg der Friedfertigkeit, der scheinbaren Schwäche, den Weg des Friedens. Jederzeit ist es Zeit für die Entscheidung. Jederzeit erweist sich der Traum vom Frieden als der stärkere Weg. Jederzeit lässt sich politisch und wirtschaftlich umschwenken hin zu einer Gesellschaft, die nicht nur den Frieden als Kategorie kennt, sondern ihn lebt.
Im christlichen Glauben finde ich die Möglichkeit, unabhängig von politischen Programmen und Entscheidungen dem Traum vom Frieden Worte zu geben.
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