Moment mal
von Pfarrer Tilmann Kuhn
Das Y-Syndrom
Herr M. hat ein hübsches Sümmchen Geld gespart. Er gehthin, kauft ein Ticket für eine Reise mit einem Urlauberschiff, ist mehrere Wochen damit unterwegs und lässt sich’s wohlgehen. Niemand findet das merkwürdig, im Gegenteil. Er tut, was viele Menschen als Traumurlaub empfinden.
Pfarrer Y. hat auch Geld gespart, schließlich lebt er allein. Er geht hin, kauft sich ein Ticket für eine Reise mit einem Urlauberschiff, ist mehrere Wochen damit unterwegs und lässt sich’s wohlgehen. Im Unterschied zu Herrn M. bietet er sich auf der Reise für Gespräche an. Urlauber auf dem Schiff brauchen auch jemanden, der ihnen zuhört. Ein Filmteam dreht auf dem Schiff eine Reportage über Urlaubsgewohnheiten. Nach der Ausstrahlung der Reportage kommt es in der Heimatgemeinde von Pfarrer Y. zu einer merkwürdigen Diskussion. Hat ein Pfarrer das Recht, Geld übrig zu haben für einen Urlaub? Lebt er nicht von vornherein mit dem Anspruch der Bedürfnislosigkeit?
Diese Diskussion ist so symptomatisch für unsere gegenwärtige gesellschaftliche Lage, dass ich sie das ,Y-Sondrom’ nennen möchte.
Wir hören von solchen Diskussionen. Pfarrer Y. steht dann symbolisch für die ganze Kirche. Hat die Kirche das Recht, viel Geld zu haben? Was macht sie damit und ist nicht Geld Macht? Wir wissen aber, dass Kirche und Macht nicht zusammengehören! Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, also seine Macht, und gebt Gott, was Gottes ist, nämlich Ehre! In der letzten Woche tagte die Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz. Es wurde der Doppelhaushalt der Landeskirche für die nächsten zwei Jahre beschlossen. Er sieht vor, dass für jedes der rund 1 Million Gemeindeglieder knapp 330 Euro jährlich bewegt werden. Leider wird das Geld nicht an die Gemeindeglieder ausgezahlt, im Gegenteil, es kommt von ihnen. Und dass es von den Gemeindegliedern kommt, verbindet dieses Geld mit dem Auftrag, es für die Arbeit der Kirche zweckentsprechend einzusetzen. Und das geschieht. Ehrlich. Wie es geschieht, kann von Jedermann im öffentlichen Haushalt der Landeskirche eingesehen und geprüft werden. Oder in der Weise, wie die Gemeinde vor Ort existiert, erlebt werden. Darüber hinaus gibt es einen Kirchlichen Rechnungshof und die Landessynode, die über die sachgemäße Verwendung des Geldes wachen. Und in der Landessynode wirken berufliche Mitarbeiter der Kirche mit, in noch größerem Maße aber ehrenamtliche Mitarbeiter. Also Kirchenälteste, die von den Gemeindekirchenräten über die Kreissynoden in die Landessynode delegiert werden. Wie anders könnte die Verwendung einer großen Menge Geld verantwortlich kontrolliert werden?
Einer der Nutznießer des Landeskirchlichen Haushalts ist Pfarrer Y. Für seinen Dienst in seiner Gemeinde bekommt er ein angemessenes Gehalt. Er kann damit nicht in Saus und Braus leben. Hin und wieder kann er sich einen Urlaub leisten, so wie Herr M. Eigentlich nichts Besonderes. Wir dürfen es ihm gönnen. Trotz Y-Syndrom. Denn er kann nicht einmal dann aus seiner Haut – er hat ein Ohr für Menschen. Denn er weiß, was es heißt: dein Wort in Gottes Ohr!
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