Moment mal
von Pfarrer Sacha Sommershof
Vom Segen der Neugierde
Vor einigen Tagen haben die beiden Physiker François Englert und Peter W. Higgs den Nobelpreis für Physik erhalten. In der Fachwelt wurde die Auswahl der beiden Wissenschaftler allenthalben begrüßt und auch außerhalb der Welt der Physik haben die Forschungsergebnisse der beiden Preisträger reges Interesse gefunden, was nicht zuletzt mit der großen Entdeckung und deren besonderer Bezeichnung liegt: das sogenannte Gottesteilchen. Dabei handelt es sich um die Theorie, dass es ein Kraftfeld geben müsse, das allen Objekten eine Masse verleiht. Ohne Masse und Schwerkraft hätte sich das Universum nicht bilden können. Damit sei es gelungen so weit wie noch nie in die Erforschung der Entstehung der Welt vorzudringen. Manche behaupten sogar, man hätte Gott auf die Finger geschaut, daher der Titel 'Gottesteilchen'. Peter Higgs hat diese Bezeichnung seiner Entdeckung immer abgelehnt und glaubt man ihrer Entstehungsgeschichte, ist sie auch eher durch ein Missverständnis entstanden. Nichtsdestotrotz entzündet sich am Higgs-Teilchen noch einmal neu die Frage, ob die Naturwissenschaft hier den Glauben allmählich abgelöst hat. Denn, wenn die letzten Rätsel des Kosmos gelöst sind, wozu benötigt man dann noch Glaube und Religion? Die biblische Vorstellung, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen habe, musste sich schon lange den wissenschaftlichen Erkenntnissen stellen und theologisch gedeutet werden. Als Christen glauben wir daran, dass wir als Geschöpfe Gottes in der Schöpfung Gottes leben und alles, was existiert seinen Anfang bei Gott hat. Schon Thomas von Aquin, der bedeutendste Theologe des 13. Jahrhunderts, hat versucht, menschliche Erkenntnis und den Glauben an den Schöpfergott zu erklären und ist auf die Begriffe des 'unbewegten Bewegers' und der 'unverursachten Ursache' gestoßen. Damit weist er darauf hin, dass Wissenschaft zwar vieles von dem beantworten kann, wie etwas entstanden ist und funktioniert, der Grund der Schöpfung dagegen auch ihr verborgen bleibt.
Deswegen können Glaube und Wissenschaft Hand in Hand gehen und bedrohen sich gegenseitig nicht, sondern haben jeweils ihre eigene Sinnhaftigkeit. Zum Glück hat Gott uns Menschen Verstand und Neugierde geschenkt. Mit beidem können wir die Welt erklären und helfen, sie zu erhalten, sie für alle zu einem Ort zu machen, der für Gottes Geschöpfe lebenswert ist. Ohne wissenschaftliche Entdeckungen in Medizin oder Technik würde es uns heute schlechter gehen. Damit Wissenschaft aber kein Selbstzweck wird oder gar gegen die Erhaltung der Welt wirkt, ist es gut, wenn wir uns immer wieder auf Gott besinnen, der uns in seiner unerforschlichen und unermesslichen Liebe die Schöpfung geschenkt hat. Diese Liebe Gottes können wir erwidern, indem wir unsere Neugierde behalten und das erhalten, was uns anvertraut ist, ganz so, wie es der jüdische Philosoph Maimonides formuliert hat: „Gott zu lieben bedeutet, die Wunder der Natur und Gottes Geschöpfe zu studieren und in ihnen seine unendliche Weisheit zu erkennen.“
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