Moment mal
von Pfarrer Dr. Alexander Heck
Die Geister scheiden
Kennen Sie die Qi-Formel? Sie verspricht fünf Geheimnisse innerer Zufriedenheit. Oder mit Übungen buddhistischer Psychotherapie können Sie heilsame Veränderungen in ihrem Leben auf den Weg bringen. Und die praktische Geschenkbox mit 98 Pendeltafeln hilft ihnen, ihre eigene Achtsamkeit zu steigern. Die Regale in den Buchläden sind voll mit Ratgebern zu Esoterik und Lebenshilfe. Ob ihre Ansätze religiös, magisch oder therapeutisch sind, in allen werden Menschen unterschiedliche Zugänge angeboten, um ihr Leben zu meistern. Ihre Techniken zielen auf die Veränderung der eigenen Atmung, der Wahrnehmung, der Träume oder schlicht der eigenen Lebenseinstellung. Das scheint der Geist unserer Zeit zu sein. Das eigene Leben fest im Griff behalten wollen und so modellieren, dass alles passt. Nirgendwo mehr anecken, immer überzeugend auftreten, innerlich stets ausgeglichen, konfliktvermeidend und klar in allem sein, was man will. Nur keine Schwäche zeigen, nicht versagen dürfen und schon gar nicht uninspiriert wirken. Das ist der Geist unserer Zeit. Nur, wer sich derart selbst im Griff hat, verdient die nötige Anerkennung. Meinen wir.
Gerade haben wir Christinnen und Christen das Pfingstfest begangen. Hier war von einem ganz anderen Geist die Rede. Es ist heilsam, jene Geister zu scheiden. An Pfingsten feiern wir nämlich eine besondere Erfahrung. Wo Menschen plötzlich erkennen, woher und wohin, warum und wozu sie leben, da ist Pfingsten. Wo Menschen die Erfahrung machen, dass ihr Leben aus mehr besteht, als aus Leistung und reibungslosem Funktionieren, da ist Pfingsten. Darum ist Pfingsten auch kein einmaliges Ereignis im Kirchenjahr. Pfingsten kann im Leben immer wieder stattfinden. Wir feiern Pfingsten, damit unsere Träume nicht verloren gehen. Der Traum, dass Frieden wird, wo Krieg herrschte; dass Menschen wieder miteinander reden, wo Schweigen war; dass wir im Leben nicht wirklich etwas verpassen, wenn wir uns Gott genug sein lassen. Gottes Geist macht uns wirklich lebendig. Denn bei Gott brauchen wir nicht funktionieren. Bei Gott sind wir bereits geliebt. Trotz mancherlei Sand im eigenen Getriebe. Wer dieses Versprechen Gottes über seinem Leben zulässt, bei dem stellt sich – ganz ohne Technik – fast wie von selbst Vertrauen ein. Vertrauen in die Kraft der eigenen Träume vom guten Leben.
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