Moment mal
von Superintendent i.R. Peter Heß
Gebet – nie besetzt
Erstaunlich, wie viele Menschen auf das Stichwort „Gebet“ sensibel reagieren.
Ich erinnere mich an Besuche in Krankenhäusern. Ein Gemeindeglied lag mit ein oder zwei anderen Patienten im Zimmer. Bei der Verabschiedung habe ich oft gefragt, ob es allen im Zimmer recht wäre, wenn ich noch ein Gebet sprechen würde. Nicht ein einziges Mal wurde dies verneint. Augenscheinlich waren Mitpatienten von diesem Erleben berührt. Nicht selten kam ein Dankeschön.
Manchmal öffnete sich auch jemand und begann von persönlichen Gebetserfahrungen zu erzählen, Mein Eindruck wurde, je länger je mehr, dass erstaunlich viele Zeitgenossen mit dieser Möglichkeit leben.
Sicher ist das häufig in Grenzsituationen der Fall aber oft auch aus Dankbarkeit.
Manch öffentlicher Anlaß, bei dem ich als Vertreter der Kirche zur Mitwirkung gebeten war, kommt mir in den Sinn.
Die Freigabe einer Umgehungsstraße, die Eröffnung einer Bankfiliale, der erste Spatenstich für einen Umschlagbahnhof, die Eröffnung des Sicherheitstages der Polizei oder der Neujahrsempfang des Oberbürgermeisters sind da in meiner Erinnerung.
Einige kurze Gedanken darüber, wie all diese Gelegenheiten Orte sind an denen uns bewusst werden kann, wie unser alltägliches Leben ein Raum ist, in den hinein Gott seine Aufmerksamkeit, seinen Rat, seine Mahnung und Hoffnung und Segen geben will. Unser ganz persönliches Leben mit den Erfahrungen von Glück und Freude, von Ratlosigkeit und Schmerz und das Leben unserer Gesellschaft sind gleichermaßen Erfahrungsorte, an denen Gott hohes Interesse hat.
Gottes Einladung ist, mit Ihm über all diese Bereiche unseres Lebens in Dankbarkeit und bittender Erwartung zu reden. So erleben wir wie sich Himmel und Erde berühren. Dabei kommt das Vorstellbare und oft genug Machbare mit dem Geheimnis Gottes in Berührung. Manchmal ereignet sich wunderbare und unerwartete Lösung.
So öffnen wir uns, um zu entdecken wie das Geheimnis der Wirklichkeit Gottes erlebbar wird. Gottes Zuwendung und Interesse an uns und unserer Welt ist immer wieder mit Händen zu greifen. Sicher fallen auch Ihnen da Erfahrungen ein.
Es gibt aber auch Enttäuschungen. Die Bitte um Gottes Eingreifen war scheinbar umsonst.
An dieser Stelle kommen mir Kindheitserinnerungen. Es waren oft kleine Bitten, die ich an meinen Vater hatte. Nicht nur einmal hat er NEIN gesagt.
Manchmal hat er es begründet, aber nicht immer. Meist habe ich es nicht verstanden.
Heute, darum erzähle ich davon, kann ich es verstehen.
Zusammenhänge, Hintergründe oder Folgen meiner Bitten waren bei mir nicht im Blick. Woher sollte ich auch diese Weitsicht haben. Später erging es meinen Kindern mit mir nicht anders. Ja, es gab da auch Entscheidungen meines Vaters und von mir als Vater, die nicht weise waren.
Da beginnt der Vergleich mit dem Vater im Himmel zu hinken. Wir sind nicht Gott. Dennoch: Vom Grunde her kann ich auf diesem Hintergrund erahnen, dass es Gründe geben kann die Gott zur Zurückhaltung unseren Erwartungen gegenüber veranlassen.
Eines aber kann ich als glaubender und vertrauender Mensch annehmen:
Bei Gott wird nicht ein Gebet überhört oder einfach missachtend verworfen.
Wenn schon mein Vater versucht hat, verantwortlich und liebevoll mit mir umzugehen, und ich bemüht war, es mit meinen Kindern ebenso zu halten, dann kann ich davon ausgehen, dass Gott, der mein und aller Vater sein will, es auch so hält.
Es gibt ein Geheimnis der Liebe. Liebe wird immer Geheimnis sein, auch unter uns. Geheimnisse entziehen sich allermeist unserem Verstehen.
Davon erzählt auch der Beter der vor fast 3000 Jahren sagte:
„Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.“ Psalm 66,20
Unser Leben hat mehr mit Gottes Liebe, Güte und Weisheit zu tun, als wir ahnen. Wir sind eingeladen, unser in vielen Dingen planbares und machbares Leben mit dem Geheimnis der Liebe und Weisheit Gottes und seinen Möglichkeiten in Verbindung zu bringen. Einfach mit IHM darüber reden, einfach IHM alles sagen, auch unsere Hoffnungen und Erwartungen aussprechen. Dabei sind wir doch den Kinderschuhen entwachsen und könnten das Wagnis eines reifen Vertrauens eingehen. Vielleicht kann das so klingen: „Gott, jetzt habe ich dir alles gesagt. Ich weiß, dass du den besseren Überblick hast. Du siehst aber auch meine Sorge und Angst. Mach bitte etwas.“
Damit eröffnen wir IHM vertrauensvoll die Freiheit, zu tun, was gut ist.
Eines habe ich, haben Viele, immer wieder erlebt, auch der Beter damals: Gott tut etwas. Allermeist kommt unser Herz zur Ruhe. Die Angst weicht. Ich habe mich IHM ja anvertraut. Manchmal entdecken wir bei späterem Nachsinnen, dass er es anders, aber nicht weniger hilfreich gemacht hat. Zuweilen gibt es auch Zeitverzögerungen, manchmal sogar erhebliche.
So lernen wir auch was vertrauen heißt!
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