Moment mal
von Wilfried Schmidt
Für jedes Jahr wird von der Herrnhuter Kirche ein Bibelwort ausgelost, das uns in besonderer Weise begleiten kann. Das uns zum Nachdenken über unser Leben und unsere Beziehung zu Gott anregen will. In diesem Jahr ist es ein Wort aus dem Hebräerbrief (Kapitel 13, Vers 14), einem Brief aus der Zeit der ersten Christen: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Gut sechs Jahre ist es her, dass wir nach Wittenberge gekommen sind. Wo wir vorher waren, hatten wir „keine bleibende Stadt“. Dieser Wechsel war nicht leicht. Was kommt auf uns zu? Wie wird es werden? Fehlen uns dann nicht die Leute, mit denen wir durch Dick und Dünn gegangen sind? Die zu unserem Alltag einfach dazugehörten und uns ans Herz gewachsen wahren?
Nichts Bleibendes haben heißt, auf Abschied gefasst sein. Lieb gewordenes Loslassen, sich auf Neues und Unbekanntes einlassen. Abschied kann schmerzen, sehr sogar. Nichts Bleibendes haben heißt aber auch: ich kann und darf mich freuen über das, was mein Leben ausmacht und bereichert, so lange ich es habe. (Und vergesse hoffentlich nicht, Gott dafür zu danken!) Das Wissen, dass ich das, was ich habe, nur auf Zeit habe, hilft mir sicher auch, anderen abzugeben, wo es nötig ist.
Das Bibelwort des Jahres möchte uns in keine traurige oder wehmütige Stimmung hineinbringen. Es will unsere Augen auf das richten, was kommt, und unsere Vorfreude stärken. Uns davor bewahren, dass wir uns hier einrichten, als sei dieses Leben alles. Denn das Beste kommt noch.
„… die zukünftige suchen wir.“ Suchen meint hier nicht nur, etwas finden wollen. Sondern bewusst auf dem Weg zu dem bleiben, was ich im Glauben gefunden habe: die zukünftige Stadt, das Leben nach dem Tod. Wir sind hier in diesem Leben „auf Durchreise“. Ziel ist das ewige Leben. Der Himmel. Da wird es kein Leid und keine Tränen mehr geben. Keine Angst, keine Gewalt. Das hat Gott versprochen. Wer sich auf ihn einlässt, der darf sich darauf freuen.
Das ist vielleicht wie bei meiner zweiten Bergwanderung (2000 Meter Höhenunterschied). Am liebsten hätte ich längst vor dem Ziel halt gemacht. Es war ja auch da so schön. Hätte ja gereicht. Als ich dann mit meinem Vater (er war schon viel geübter im Bergwandern), oben ankam, tat sich vor mir die überwältigende Schönheit der 4000er auf. Das Ziel hat mich dann doch auf den Beinen gehalten. Ich konnte die schönen Aussichten zwischendurch genießen, wusste aber: das Schönste kommt noch. Also weiter!
Doch bei unserer Lebensreise geht es um mehr als um eine leckere Kaffeemahlzeit in ca. 3000 Metern Höhe mit toller Sicht auf die Bergriesen. Daran will uns das Jahresbibelwort erinnern. Wir dürfen und sollen uns über das Gute und Schöne freuen. Dennoch soll es uns nicht festhalten, sondern sagen: das Ziel, das Gott uns im Glauben schenkt, ist noch herrlicher, bleib dran.
So wünsche ich Ihnen, dass Sie viel Gutes und Schönes im neuen Jahr erleben und dass Sie in allem die Vorfreude auf „die Zukünftige Stadt“ begleitet.
Wilfried Schmidt
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