Moment mal
von Wilfried Schmidt
„Nicht geschimpft ist gelobt genug.“ Vielleicht haben wir diesen Satz noch nicht sooft gehört, aber oft genug erlebt, dass Menschen danach handeln. Auch uns gegenüber. Ich denke da zum Beispiel an eine kleine Prüfung in meiner Ausbildung. Das ist schon ein seltsames Gefühl, wenn die guten Dinge vergessen scheinen oder hingenommen werden als seien sie nicht der Rede wert und nur das, was nicht so gut gelaufen ist, Gesprächsthema ist.
Leider läuft es in unserer Gesellschaft an vielen Stellen so. Auch im persönlichen Miteinander. Und ich selber merke es auch bei mir, dass mein Blick manchmal an dem haften bleibt, was ärgert, was stört, was nicht in Ordnung ist. Um so dankbarer bin ich für Menschen, die mir Anlass gegeben haben und geben, auch ganz bewusst das Erfreuliche nicht zu vergessen, das Schöne und das Gute zu suchen und zu wertschätzen.
Es geht nicht darum zu sagen: Ärgere dich nicht! Nein. Was nicht gut läuft, soll auch angesprochen werden dürfen. Doch muss die Frage erlaubt sein: Wie ist das Verhältnis zwischen Ärger und Freude in dem, was ich ins Gespräch bringe?
Ich merke zumindest, dass es etwas mit mir macht, wenn ich nur oder eher die Defizite im Blick habe. Es macht sich eine schlechte Stimmung in mir breit. Man ist niedergeschlagen, vielleicht auch ärgerlich. Ganz anders, wenn man (auch) das Gute in den Blick nimmt: da macht sich Freude breit, Hoffnung, gute Laune. Und es wird uns auch Brücken zueinander bauen, wo wir ansprechen, was gut ist und wofür wir dem anderen dankbar sind. Wir wissen selber gut genug, wie gut es auch uns tut, wenn jemand uns Aufmerksamkeit schenkt und seinen Dank zum Ausdruck bringt oder uns lobt.
Allerdings ist die gute Laune oft empfindlicher als schlechte Laune. Wie schnell geschieht es, dass schon kleine Sachen uns die Freude trüben oder auch erst einmal ganz wegblasen. Hingegen geht es meist nicht ganz so schnell, andere Menschen fröhlich zu stimmen. Um so wichtiger ist es, wahrzunehmen, was uns dankbar machen kann und unser Herz aufatmen lässt.
Manchmal ist dazu auch der Blick in die Vergangenheit gut oder notwendig. Sich an das erinnern, was man schon an Gutem erfahren hat. Das entdecke ich auch in dem Bibelwort, das viele Christen durch diese Woche begleitet: „Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“ (aus Psalm 103, Vers 2). Manchmal stecken wir vielleicht in Situationen, wo wir beim besten Willen nichts finden, was uns jetzt gerade freut. Da kann dieser Blick nach hinten eine große Hilfe sein: Ich habe doch schon Gottes Freundlichkeit erlebt, seine Hilfe. Und er ist heute der selbe. Er wird auch jetzt bei mir sein, für mich da sein. Darum kann ich zuversichtlich nach vorn schauen.
Ja, wer Gott danke sagt, die vielen guten Dinge - auch die „kleinen“ - in seinem Leben nicht als selbstverständlich hinnimmt, wird froh und entdeckt, wie reich sein Leben ist.
Wilfried Schmidt
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