Moment mal
von Wilfried Schmidt
Am Abend, wenn alles ruhiger geworden ist auf unserer Straße, höre ich jetzt oft die Amsel singen. Irgendwo sucht sie sich eine Antenne oder einen Dachfirst und singt dann ihre wunderschönen Lieder. Aber auch die Sperlinge und Meisen lassen sich hören mit ihren Melodien. Bald werden weitere Vögel mit ihrem Gesang hinzukommen. Jeden Tag neu erklingt ihr Lied und sie laden mich ein: Sing mit, sing doch mit!
„Kantate!“ oder zu deutsch „Singt!“ - so heißt auch der gestrige Sonntag im Lauf des Kirchenjahres.
Zu welchen Anlässen singen Sie? Beginnen Sie wie die Vögel den Tag mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen? Oder Singen sie in der Badewanne? Zum Geburtstag? Oder wenn Ihre Mannschaft gewonnen hat? Manche singen auch bei ihrer Arbeit. Kinder entdeckt man sehr häufig beim Singen. Sie dichten auch eigene Lieder und verarbeiten das, was sie gerade beschäftigt. In der vorletzten Woche hatten wir bei uns die Ferienwoche „Abenteuer in Ägypten“. Dabei haben die Kinder ein Musical eingeübt. Es war eine Freude, die Kinder beim singen und beim Einüben der Lieder zu sehen. Und auch die jungen Leute, die beim Jugendwochenende „Anstoß“ gestern zusammen waren, haben viel miteinander gesungen. Als fröhliches Bekenntnis dessen, was sie glauben, und was Gott und Jesus ihnen bedeutet.
Singen ist an vielen Stellen ein Ausdruck von Freude. Wir haben etwas Tolles erlebt und sind guter Dinge. Das wollen wir nicht in unserem Inneren Behalten. Und ein Lied bahnt sich den Weg. Und Singen verbindet. Als vor vielen Jahren junge Leute aus Mocambique für einige Jahre hier waren, fanden wir sehr schnell zusammen, weil wir gemeinsame Lieder hatten. Heute, wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich gerade in Brasilien und besuche christliche Gemeinden und soziale Einrichtungen. Schon jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, freue ich mich auf die gemeinsamen Lieder, die wir dort singen werden und die uns schnell zueinander finden lassen und zeigen: Wir gehören zusammen.
Oft hören Menschen Lieder oder Musik, die ihre momentane Stimmung wiedergibt. Vor Jahren habe ich einen Jugendlichen besucht, der längere Zeit in einem Stimmungstief hing. Die Lieder, die aus seinem CD-Player zu hören waren, verrieten die gleichen Emotionen. Es waren Lieder, in denen Sinnlosgkeit, Hoffnungslosigkeit und ähnliches zur Sprache kamen. Einerseits tut es gut, Lieder zu finden, in denen sich mein Erleben widerspiegelt. Da hat jemand Worte gefunden, wo ich möglicherweise noch sprachlos bin. Andererseits können die Lieder, die nur meine Stimmung wiedergeben, dazu beitragen, dass sich meine innere Situation verfestigt. Ja, was ich singe oder mir anhöre, der Inhalt der Lieder, beeinflusst mich.
So kann mit Liedern aber auch viel Gutes in uns hineinkommen. Das haben die Menschen vor Jahrtausenden erfahren. So ist es bis heute. Die Einladung „Kantate – singt!“ ist aus einem Lied des alten Volkes Israel, aus dem Psalm 98. Dieses Lied will uns die Augen öffnen für die Wunder, die Gott in unserem Leben tat und tut. Wunder sind nicht nur die Dinge, die Schlagzeilen machen, sondern oft auch ganz kleine Sachen. Die mir aber zeigen: „Gott hat mich nicht vergessen!“ und mir Mut und Hoffnung schenken, mich herausholen können z.B. aus Selbstmitleid und Sinnlosigkeit.
So ist dieser Psalm ebenso wie das Singen der Vögel ein Einladung an uns: Sing ein (neues) Loblied auf Gott, unseren Schöpfer! Er hat alles wunderbar gemacht, und wir sind Teil seiner wunderbaren Schöpfung! Mit dieser Gewissheit kann ich einstimmen in den Jubel des Psalmbeters. Wie Gott in der Vergangenheit geholfen hat, so wird er es auch weiterhin tun. Darauf kann ich mich heute verlassen, auch in den Widrigkeiten meines Tages. Gott ist da. Er hilft!
Wilfried Schmidt
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