Moment Mal
von Superintendentin Eva-Maria Menard
Wenn der Hahn dreimal kräht
„Kräht der Hahn früh auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist.“
Eine alte, ironische Bauernregel. Hähne krähen - so habe ich nachgelesen - unbeeindruckt von Wetterlagen und sogar Lichtverhältnissen. Denn Hähne folgen ihrer inneren Uhr und offenbar brauchen sie die Sonne gar nicht. Tatsächlich, und das habe ich mir von kundigen Hühnervolkbesitzern erzählen lassen, fangen Hähne oft schon vor der Morgendämmerung, also vor den ersten Sonnenstrahlen an zu krähen.
Kikeriki - einer beginnt, die anderen fallen ein und können einem schon die Mittagsruhe oder den Nachschlaf rauben. Daher hat das Verwaltungsgericht Freiburg festgehalten, dass Hähne täglich nur zwischen 8 und 19 Uhr krähen dürfen; am Sonn- und Feiertag müssen sie auch über die Mittagszeit schweigen.
Die Bibel erzählt an einer einzigen Stelle von Hahnengeschrei: Es ist noch dunkel im Hof, als der Hahn dreimal laut kräht und sein Schrei raubt Petrus, dem ersten Freund Jesu, die Ruhe. Das Krähen des Hahnes geht ihm durch Mark und Bein. Denn am Abend hatte Jesus ihm auf den Kopf zugesagt, dass er ihn bei erster Gelegenheit „noch ehe der Hahn kräht“ verleugnen wird.
Und so geschieht es: Als Jesus gefangen, verspottet und gefoltert wird, behauptet Petrus auf Nachfrage, dass er ihn nicht kenne. Petrus hat Angst. Er, der vermeintlich starke Fels in der Brandung, der am Abend noch vollmundig behauptete für Jesus „bis in den Tod zu gehen“, fürchtet sich im Dämmerlicht des anbrechenden Tages vor den Folgen dieser Freundschaft, vor Hass und Hetze, vor möglicher Gewalt auch gegen ihn. Nein, er ist kein Held. Das wird ihm im Moment des Hahnengeschrei bewusst. Und Jesus? Der wendet sich ihm zu, schaut ihn an, nicht an ihm vorbei. Petrus ist nach diesem Verrat nicht Luft für Jesus. Er kündigt ihm die Freundschaft nicht auf.
Und dieser Blick ändert alles: Petrus findet seinen Mut wieder und wird später die ersten Menschen sammeln, und mit ihnen gemeinsam versuchen, Jesu Botschaft trotz vieler Hindernisse, Anfeindungen und Spott weiterzutragen. Mich tröstet es, dass Petrus kein Held war, sondern ein Mensch wie du und ich und dass er dennoch nicht aufgab, sich einzusetzen für eine Welt, in der Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und jeder einzelne Mensch zählen.
Ich wandle daher die alte Bauernregel ab: „Kräht der Hahn über unseren Mist und angesichts unserer Angst, ändert sich der Mensch oder er bleibt wie er ist.“
Die Möglichkeit, sich zu ändern, bricht mit jedem Morgen an.
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