Moment Mal

von Pfarrer Helmut Kautz

Schlamm spritzte am Auto hoch. Die Räder drehten sich mit ganzer Kraft. Das Fahrzeug stand und rührte sich nicht. Das Unvorstellbare wurde wahr: Pfarrer Kautz hat sich Heiligabend im Wald zwischen Freyenstein und Schmolde im Schneeschlammgemisch festgefahren. U

nd plötzlich war es still. Friedlich stand das neu gekaufte Auto auf dem Weg. Die Algorithmen des Navigationsgerätes hatten den besten Weg errechnet und ich hatte ihnen vertraut. Jetzt stand ich hier: ohne Handynetz, ohne Fahrmöglichkeit. Im wehenden Talar mit dem Predigtkoffer in der Hand machte ich mich zu Fuß auf den 2,3km langen Weg durch die dunkle Winterlandschaft.

Würden mir das die Schmolder verzeihen? Ausgerechnet Schmolde! Wo ich doch schon zum Erntedankgottesdienst nicht erschienen war! Ist Vergebung und Vertrauen da noch möglich? Wem und Was kann man noch trauen? In letzter Zeit verletze ich so viele Menschen. Da ist mein Freund, der mir wütend die Freundschaft kündigte, als er erfuhr, dass in der Meyenburger Kirche geimpft wurde. Mein Pferdefriedenstreck-Kamerad, der es unverzeihlich findet, dass ich noch zu Treffen von mehreren Menschen gehe…

Keinem kann man es recht machen. Durch mein Handeln tue ich Anderen weh und enttäusche ihr Vertrauen. Ich brauche Vergebung und muss um Vergebung bitten. Das macht mir ehrlich gesagt wenig Spaß. Während meine Füße durch den Schneematsch, stapfen muss ich plötzlich an die Hirten aus der Weihnachtsgeschichte denken. Sie machten sich zum ersten Heilig Abend Gottesdienst der Geschichte auf! Gingen den Heiland anzubeten.

Jesus, der die Vergebung neu in die Welt brachte und uns damit sagt: Vertraut dem Schöpfer! Er läßt Euch nicht allein. Da klingelt mein Handy: „Wo bleiben Sie denn, Herr Pfarrer?“ Ich schildere kurz meine missliche Lage und mir wird versichert, dass die versammelte Gemeinde noch warten wird. Endlich bin ich (übrigens gut aufgewärmt) vor der Schmolder Kirche angelangt und werde mit großen Hallo als „Waldkautz“ begrüßt. Wir feierten „atemlos durch die [Heilige] Nacht“.

Am Ende spricht mich der Förster an: „Gib mir mal den Autoschlüssel! Meine Söhne und ich fahren jetzt los und holen das Auto.“ Vertrauensvoll gab ich ihm den Schlüssel. Ein Ehepaar nahm mich mit nach Hause und gab mir einen heißen Tee. Immer wieder wird mir erläutert, dass man einem Navi nicht trauen darf. Das weiß doch jeder, dass der Waldweg, den ich fuhr nur für Pferde und Traktoren geeignet ist.

Wem kann man trauen? Ständig muss man vertrauen und jeder kann nur entscheiden, wem er vertraut. Das braucht Mut. Das wünsche ich jedem von uns für das neue Jahr 2022: Mut zum Vertrauen. Mut zum Vergeben und um Vergebung zu bitten. Die Kraft zum Vergeben können wir bekommen vom Kind in der Krippe. Bei meinem vierten Heilig Abend Gottesdienst in Brügge übergaben mir der Förster und seine Söhne mein nur ein wenig verdrecktes Auto.

Auf die Schmolder ist Verlass. Danke!

 

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