Moment Mal
von Pfarrer Helmut Kautz
Plötzlich hatte ich die Zügel in der Hand! Die schwarzen Brauereipferde zogen an den Leinen und schnaubten nervös. Die Kutscher stiegen ab und waren hilflos.
Beide hölzernen Richtscheide, die Verbindung zwischen Pferd und Leichenwagen waren zerbrochen. Der Wagen mit dem Sarg von Johann dem Kutscher stand. Der Leichenzug formierte sich. Mein Herz schlug bis zum Hals und ich betete verzweifelt: Jesus hilf! In meinen schweißnassen Händen glitten die Lederstränge der Pferde hin und her. Der weite Talar wurde mir zu eng. Alle Augen starrten auf mich.
Da sah ich sie! Die vielen Menschen, denen der Kutscher Johann gedient hatte. Die Kinder, die er so mochte und die immer bei ihm reiten durften. Den Karl im Rollstuhl, für den extra eine Rampe gebaut wurde, dass er auf das Pferd rauf kam. Die Rentnergruppe die so gern mit dem Kremser fuhr. Das Brautpaar, was die Fahrt mit der Hochzeitskutsche nicht vergessen kann. Menschen über Menschen standen da!
Zitternd gab ich das Kommando: Ausspannen! Lenkte die Pferde vom Wagen fort und übergab sie den Kutschern. Sie führten die treuen Rösser etwas weg vom Geschehen. Nun stand der wunderschöne schwarze Leichenwagen auf der Straße. Ganz ruhig der schlichte Eichensarg von Johann auf der rotsamtenen Ladefläche. An der Deichsel hingen schlaf und verwaist die Lederriemen der Pferde.
Wie sollte der Leichnam nun zum Friedhof kommen? Da kam mir der rettende Gedanke. Die Freunde von Johann sollten den Wagen schieben! Kurz erklärte ich den Anwesenden die Idee. Schnell stellten sich zwei Pferdemänner an die Deichsel, hinten und an den Seiten griffen starke Hände zu. Der Wagen setzte sich in Bewegung und nun schoben und zogen die den Johann durch die Stadt, die er sonst mit seinen Pferden immer kutschiert hatte.
Jeder konnte so seine Liebe zu ihm ganz praktisch zum Ausdruck bringen. Auf dem Kutschbock saß der Trompeter und spielte das Lied: „Jesu geh voran auf der Lebensbahn!“ Vor der Stammkneipe von Johann kam dann: „Hoch auf dem gelben Wagen!“ Ruhig und friedlich schritten die Pferde von Johann hinter dem einzigartigen Leichenzug hinterher.
Ich konnte mich entspannen und fuhr mit dem Bestatter zum Friedhof. Was für eine wunderbare letzte Ehre hatten wir dem Johann erwiesen.
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