Moment Mal

von Pfarrer Olaf Glomke

Und Sie?

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist schon zur Gewohnheit geworden, morgens als erstes in der Tageszeitung nach den aktuellen Zahlen der Inzidenz im Landkreis zu suchen: Sind die Zahlen gesunken? Dann die Enttäuschung: höher als gestern! Also keine Lockerungen. Wieder haben sich Menschen infiziert. Die Gefahr ist greifbar, dass auch heute Menschen an Corona oder mit dem Virus sterben werden. Also weiter die Maske über Mund und Nase tragen. Hände desinfizieren, Abstand halten, auf die Regeln achten. Nicht nachlassen mit der gegenseitigen Fürsorge für andere und sich selbst. Wir müssen noch mehr füreinander da sein! Nicht nachlassen!

Am Nachmittag dann die ersten Strahlen der Frühlingssonne. Frühlingserwachen. Lust raus zu gehen. Wandern im Wald mit Freunden. Auf der Terrasse eines Restaurants Kaffee oder ein Aperol Spritz trinken. Die wärmenden Sonnenstrahlen genießen. Die Sehnsucht wird wach: Ostsee, am Strand, Urlaub planen, weit weg sein.

Ach, geht nicht, wird nichts. Corona. Die Beschränkungen bleiben. Zu schleppend gehen die Impfungen voran. Warum steigen hier die Zahlen nicht schneller?! Was ist das Problem? Ich werde ärgerlich und wütend!

Im Krankenhaus werde ich gefragt: „Und, was sagt Gott dazu?“ Ich stutze und höre mich sagen: „Er ist auch traurig.“ Traurig über die schwer Erkrankten und die schon Verstorbenen. Gibt es jemanden oder etwas, dem wir die „Schuld in die Schuhe schieben könnten?“ Was wollen wir eigentlich und was können wir tun?

Eine kurze Geschichte: Eine alte Indianerin saß mit ihrer Enkelin am Lagerfeuer. Es war schon dunkel, das Feuer knackte, die Flammen züngelten zum Himmel. Die Alte sagte nach einer Weile des Schweigens: „Weißt du, wie ich mich manchmal fühle? Es ist, als ob zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen würden. Einer der beiden ist unbeherrscht, kurzsichtig und aggressiv. Der andere ist liebevoll, weitblickend und fürsorglich.“ „Welcher der beiden wird den Kampf um dein Herz gewinnen?“, fragte das Mädchen. Bedächtig antwortete die Alte: „Der, den ich füttere.“

Und Sie? Welchen füttern Sie?

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