Moment mal
von Pfarrer Rudolf Klehmet
„Brich dem Hungrigen dein Brot...“- Gedanken zu Erntedank
In vielen Dörfern der Prignitz werden in diesen Wochen die Erntefeste gefeiert.
Oft beginnen sie mit einem Erntedankgottesdienst in der Kirche- aus gutem Grund.
Denn noch immer leben wir von den Gaben der Schöpfung, die wir uns nicht selbst zu verdanken haben, sondern dem Schöpfer.
Die Ernte ist zum größten Teil eingebracht, und trotz teilweise ungünstiger Witterungsverhältnisse haben wir genug zu essen und zu trinken.
Vielleicht werden die Brötchen 2 Cent teurer, weil die Getreideernte geringer ausgefallen ist als im letzten Jahr. Aber deshalb wird hierzulande niemand verhungern. Ja, das Elementare des Lebens kommt uns alljährlich an Erntedank in den Blick. Die Grundlagen, von denen wir leben. Und dazu gehört neben Essen und Trinken eben auch eine Wohnung, eine Arbeit, Menschen an unserer Seite...
Überhaupt all das, was wir zum Leben haben, was uns erfreut und mit Dank erfüllt.
Reiner Kunze hat in einem Gedicht die elementaren Grundlagen des Lebens zusammen gefasst.
Da heißt es:
„Wir haben ein Dach und Brot im Fach und Wasser im Haus, da hält man’s aus.
Und wir haben es warm und haben ein Bett. O Gott, dass doch jeder das alles hätt’.“
Diese einfachen Worte drücken aus, wie wenig selbstverständlich es ist- und wie gut, dies alles zu haben: ein Dach über dem Kopf und Essen und Trinken, ein Bett, in das man sich legen kann, wenn die Kräfte erschöpft sind- und leider haben dies alles längst nicht alle Menschen auf dieser Erde. Jeder 6. Mensch unserer einen gemeinsamen Erde muss unter dem Existenzminimum leben.
„Man gebe einem modernen Menschen einen Laib Brot und bitte ihn, ihn zu teilen. Er wird an dem Problem scheitern“, so hat es der Theologe Jörg Zink einmal zugespitzt formuliert.
„Brich dem Hungrigen dein Brot“, so ruft es der Prophet Jesaja seinem Volk schon vor zweieinhalb Tausend Jahren zu.
Bei diesen Worten stehen uns die ausgemergelten Kinder im östlichen Afrika vor Augen, wie sie in den Nachrichten immer wieder zu sehen waren. Wie viele von ihnen mögen inzwischen gestorben sein, weil verhungert?
Demgegenüber steht die Vernichtung riesiger Geldmengen der westlichen Welt. Die Gier nach der bestmöglichen Rendite, die Gier, ohne Arbeit reich zu werden. Dazu kommt das unmoralische Spekulieren an der Börse mit Lebensmitteln. Ein weiterer Grund für den Hunger und das Sterben in Afrika. Es gehörte verboten.
Da gehen die Worte des Propheten zum diesjährigen Erntedankfest schon unter die Haut. Sie lassen nicht zu, dass wir gedankenlos danken. Wir haben uns daran gewöhnt, täglich satt zu werden. Und wer nicht gerade Landwirt ist und in der Großstadt lebt, der denkt kaum über die ungünstige Witterung in diesem Jahr gerade für die Getreideernte nach. Die Regale im Supermarkt sind ja auch dann nicht leer. Wie soll da in unseren Herzen so etwas wie Dankbarkeit entstehen?
Und dennoch ist es ein guter Brauch, zu Erntedank unseren Altar mit Früchten des Gartens und Feldes zu schmücken. Denn – von diesen elementaren Gaben der Schöpfung leben wir- noch immer.
Und so danken wir zum Erntedank für alles, was wir zum Leben haben: Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf und Kleidung und so manches, was wir heute darüber hinaus uns leisten können.
„Brich dem Hungrigen dein Brot...“, heißt es beim Propheten Jesaja.
Wir leben in einem Land des Überflusses an Nahrung. Da darf es uns nicht egal sein, wenn anderswo Millionen bittere Armut leiden, wenn sie schlicht verhungern. Es darf uns nicht egal sein, dass immer größere Mengen von Getreide zur Herstellung von Energie( Strom und Treibstoffe) produziert werden, während anderswo auf unserer gemeinsamen Erde der Hunger, die Not und die Flüchtlingsströme zunehmen.
Die ganze jüdisch- christliche Tradition, wie sie uns die Bibel überliefert, ist eine Hinwendung zu den Armen.
Deshalb: „Brich dem Hungrigen dein Brot...“
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