Moment mal
von Pfarrer Tilmann Kuhn
Ehre, wem Ehre gebührt
Wer hat, der kann. So dachte sich der kluge Mann und begann, mit seinem Geld an der Börse zu spekulieren. Er war etwas unerfahren und setzte auf recht altbackene Aktien. Nach zwei Wochen mußte er feststellen, daß sein Geld um die Hälfte zusammengeschmolzen war. Außerdem schmunzelten die Broker über ihn, daß er sich so unberaten ins Börsenabenteuer stürzte. Er nahm den verbliebenen Rest seines Geldes und zahlte es zurück auf sein Girokonto. Am nächsten Tag meldeten die Zeitungen einen Börsenkrach, die Kurse stürzten um neunzig Prozent ins Bodenlose. Die Broker schlichen umher wie Gespenster ihrer selbst.
Solche Geschichten schreibt das Leben zu unserer Zeit. Ich habe ein Problem damit. Ich komme in solch einer Geschichte nicht vor. Weder bin ich beruflich mit dem Aktienhandel befaßt, noch könnte ich privat spekulieren. Das, was ich bekomme, reicht eben so hin, die tägliche Existenz zu sichern. Darum kommt mir die ganze Börsenwelt vor, wie ein Computerspiel, eine virtuelle Welt, die mit dem tatsächlichen Leben nicht viel zu tun hat. Warum sollte ich mich überhaupt mit der Welt der Finanzen befassen?
Einer sagt: Dein Wohl und Wehe hängt von der Finanzwelt ab, geht es der Börse gut, geht es dir gut, geht es der Währung schlecht, geht es dir schlecht. Aber bitte, das mag ja sein, doch welche Möglichkeit habe ich denn, mit dem Geld, das ich nicht besitze, einzugreifen in den Lauf der Dinge? Gar keine, also lebe ich doch lieber real, wenn Sie so wollen, eine Schattenexistenz im Licht der Aktienkurse, aber immerhin eine Existenz!
Ein anderer sagt: Du darfst dich nicht deiner Verantwortung entziehen für das Ganze. Aber bin ich an der Ausübung der Verantwortung überhaupt beteiligt? Wenn ich allenfalls als winziger Teil der Masse von Kleinsparern eine Rolle spiele, bin ich jedenfalls verzichtbar.
Ein dritter sagt: Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber gib Gott, was Gottes ist. Hoppla, was ist denn das? Gibt es etwa noch mehr zwischen Himmel und Erde, als das Geld und die Sorge darum? Das Geld wird doch von Menschen gemacht. Entweder zeigt es das Konterfei von Herrschenden, oder es ist von ihnen aus ihrer Macht heraus legitimiert. Also gehört es letztlich ihnen. Ich darf mich also frei von seinen Zwängen fühlen, kann es leichten Herzens wieder aus der Hand geben. Möge es auf die kommen, die es legitimieren.
Was aber soll es sein, Gott die Ehre zu geben? Ehre kann man nicht kaufen oder mit Geld bewirken. Ehren kann man nur ein Gegenüber, eine Person. Jemanden, der es verdient, weil er sich um mich oder andere verdient gemacht hat. Hat Gott das gemacht?
Wenn ich darüber nachdenke, komme ich dazu, zu sagen: ich glaube ja. Irgendwie kommt er in meinem Leben vor. Irgendwie kann ich gar nicht sein, ohne mit ihm zu rechnen. Irgendwie bin ich ihm zu Dank verpflichtet. Irgendwie gewinnt mein Leben eine neue Dimension mit ihm. Kein Geld, keine Güter, kein Ansehen wie unter Menschen zählt da. Er ist eine andere Ebene des Lebens. Er ist eigentlich Leben. Er ist da. Ich glaube. Ja.
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