Moment mal
von Wilfried Schmidt
Manchmal ist es richtig gut, wenn mich keiner kennt. Wenn niemand meinen Namen weiß. Ich kann dann einfach abtauchen, wenn mir etwas Peinliches passiert ist oder ich genug habe. Ich bin solange unverbindlich dabei, wie es mir gefällt und kann dann gehen ohne lange Erklärungen. Eine Berlinerin - sie wuchs in einer kleinen Stadt auf - sagte mir einmal, dass sie da leben will, wo sie keiner auf der Straße kennt und niemand sie fragt: Ich hab dich da und da gesehen, was hast du denn da gemacht?
Allerdings leiden auch viele Menschen darunter, dass sie nicht oder nur ganz selten angesprochen werden, (fast) niemand ihren Namen kennt und oder nach ihnen fragt. Man geht in der Stadt vielleicht täglich aneinander vorbei. Meist grüßt man nicht einmal. Dass man mit Namen angesprochen wird, passiert höchstens im Geschäft oder in der Sparkasse. Die, die einen richtig kennen, sind nicht mehr da, vielleicht weit weg gezogen, um (bessere) Arbeit zu bekommen.
Alleinsein und Einsamkeit ist ein großes Thema unserer Tage. Nicht nur bei älteren Menschen. Klar, wer gute Laune verbreitet, attraktiv ist und immer ein passendes Wort auf Lager hat, findet wohl immer Gesellschaft.
Aber wir alle brauchen Zuwendung, Interesse an uns als Person. Ich freue mich, wenn ich Menschen begegne, die mich kennen und besonders, wenn ich höre, dass mich jemand beim Namen ruft. Z.B. in der Fußgängermeile. Es zeigt mir nicht nur, dass da jemand meinen Namen weiß, sondern auch: hier bin ich bekannt. Hier gehöre ich her. Hier bin ich zu Hause.
Wer mich grüßt, vielleicht sogar noch ein Momentchen stehen bleibt, um zu erzählen, zeigt: Ich steh zu dir. Ich nehm' mir Zeit für Dich. Du bist wert geachtet in meinen Augen.
Natürlich weiß ich, dass ich auch manchmal übersehen werde oder dass ich andere übersehe, weil ich so in Gedanken vertieft bin. Oder ein anderer hat gerade wirklich keine Zeit für ein kurzes Gespräch. Das gibt es ja auch bei mir. Um so größer ist dann die Freude, wenn beim nächsten oder übernächsten Mal außer dem Gruß auch Zeit zum Erzählen da ist.
Wie wäre das eigentlich, wenn eine bekannte, angesehene Persönlichkeit mich mit Namen anspricht und sich Zeit für mich nimmt. Oder ich bin auf einem Seminar und der viel gerühmte Referent nennt mich beim Namen vor aller Ohren. Wohl kaum jemand, dem das egal wäre. Wer mich bei meinem Namen nennt, macht deutlich, dass es da eine Beziehung gibt.
Auf dem Hintergrund dieser Gedanken höre ich auch noch einmal ganz anders, was Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, der auch uns Menschen ins Dasein gerufen hat, jedem von uns sagen will: „So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43, Vers 1 – die Bibel).
Da kennt nicht nur einer mehr meinen Namen, sondern es ist der lebendige Gott, der die Welt in seinen Händen hält. Er kennt mich mit Namen, will eine Beziehung zu mir. Er steht zu mir, nimmt sich Zeit für mich. Ich bin wert geachtet in seinen Augen. Er will mein Leben mit seinem verbinden und schenkt mir damit den Himmel.
Ja, ich freue mich über jeden Menschen, der mich kennt und mich beim Namen nennt. Der damit ausdrückt, ich steht zu dir. Es tut einfach gut, bejaht zu werden, gewollt zu sein. Und noch mehr will ich mich freuen über Gott, der mich mit Namen kennt und zu mir steht. Gott, der „Ja“ zu mir sagt und zu mir hält in guten und in schlechten Zeiten. Der mir das Leben schenkt, das über den Tod hinaus Bestand hat. Er, der Himmel und Erde in seiner Hand hält, lässt mich nie allein. Das hat er fest versprochen! Und wenn der, der so groß und mächtig ist, zu mir steht, kann ich wirklich zuversichtlich nach vorn schauen.
Ihr Wilfried Schmidt
Einen Kommentar schreiben