Moment Mal

von Pfr. i.R. Stephan Flade

Anfang und Aufbruch 1989

Gefühle sind nicht bloß Privatsache. Sie wirken in den politischen und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Viele werden sich wohl an die starken Gefühle erinnern, die uns DDR-BürgerInnen im Aufbruchsherbst 1989 bewegten. Die Ausstellung ‚Die Macht der Gefühle‘ im Stadtmuseum Wittenberge erzählt auch davon.

Wie ging es damals los? Am Freitag, dem 20.10.1989 wurde die große Stadtkirche für Informationen zum Neuen Forum geöffnet. Ein offener Gesprächsabend mit liturgischem Rahmen war der Beginn der friedlichen Revolution in Wittenberge. Die Familie von „Bäcker Krüger“ spielte dabei eine Rolle. Seine Tochter Annette Flade als Potsdamer Pastorin, sein Schwiegersohn, der Arzt Wolf Meinhold und dessen Frau Christiane gehörten zu den Initiatoren dieses Abends. Weitere setzten sich für das Neue Forum ein. Pfr. Reinhard Worch hat die Kirche geöffnet.

Drei Tage zuvor war ich in Falkenhagen gewesen, mit Informationen aus der Bezirksstadt Potsdam. Der damalige Pritzwalker Superintendent hatte Sorge, dass es  im Kirchenkreis unkontrolliert werden könnte. Deshalb gab er die St. Nicolai-Kirche dafür nicht frei. Doch alles blieb gewaltfrei. Kirchliche Mitarbeiter und Gemeindeglieder setzten den geistlichen Rahmen (mit Kerzen und Gebeten) und haben die ersten Diskussionen strukturiert.

Die Ausstellung im Stadtmuseum will greifbare Erinnerungen sichern. Die große Leistung der DDR-BürgerInnen, die friedliche Revolution, darf nicht vergessen werden. Wittenberge war ein sichtbares Beispiel fairer Auseinandersetzung und engagierter Demokratie. Die evangelische Kirche hat daran einen erheblichen Anteil. Das gehört ins öffentliche Bewusstsein.

Wenige Dokumente gibt es. Damals war die Angst und Zurückhaltung groß. Kaum Fotos, kaum Schriftliches. Es war noch Stasi-Zeit. Bald wurde die Mauer gestürmt, der Druck entwich. Neue Parteien gründeten örtliche Gruppen im Blick auf die erste demokratische Wahl in der DDR.

Vielleicht hat der eine oder andere noch Dokumente, persönliche Briefe, Tagebücher, Einladungsblätter, die Damaliges belegen. Wir sichern das gegen das Vergessen. Die Ausstellung ist ein  Impuls für andere Orte und ihre Auferstehungs-Geschichten.

Die Erinnerung kann uns eine Hilfe für gegenwärtig notwendige friedliche Aufbrüche sein. Die Macht der Gefühle wird wirksam bleiben.

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