Moment mal
von Pfarrer Olaf Glomke
Nach uns die Sintflut
Ja, das Schuljahr nähert sich schon wieder seinem Ende. Die Schülerinnen und Schüler der 13. Klasse genießen gerade auf ihrer Abschlussfahrt die Sonne Spaniens. Auf die Frage: „Wie es denn jetzt weiterginge?“, antwortete mir ein Abiturient: „Erst mal noch die mündlichen Prüfungen schaffen und dann: Nach uns die Sintflut!“ Schulzeit und Flut? Ein bildhafter Vergleich und danach geht der Regenbogen auf.
Die Sintflutgeschichte der Bibel erzählt von einem langen Regen. 40 Tage und 40 Nächte waren die Schleusen des Himmels geöffnet - niemand und nichts konnte sie verschließen. Die ersten schweren Tropfen wurden noch freudig von den Menschen begrüßt. Die erste Nacht war noch angenehm kühl. Die Erde trank durstig diesen Regen. Aber je länger die Flut dauerte, desto mehr wandelte sich die ursprüngliche Freude in Unsicherheit und Angst vor dem Unentrinnbaren. In Noahs Arche rückten Menschen und Tiere enger zusammen. Wie groß war die Freude, als endlich das Trommeln der Tropfen auf dem Dach der Arche nachließ und schließlich ganz verstummte. Als die Wolkendecke aufriss und Noah das einzige Fenster im Dach der Arche öffnete, herrschte drinnen gespannte Erwartung. Noah ließ seine Taube fliegen. Sie flog hin und her und kehrte zurück, weil sie keinen Rastplatz fand. Noah wartete sieben Tage und ließ wieder eine Taube fliegen. Sie kehrte am Abend ebenso wie die erste in die Arche zurück, aber sie trug ein Blatt eines Ölbaumes im Schnabel. Da wartete Noah noch einmal sieben Tage und ließ wieder eine Taube fliegen. Sie kehrte nicht zurück. Da wussten alle, dass die Flut zu Ende war. In wenigen Wochen ist die Schulzeit für die Abiturienten zu Ende. Aber den letzten Schultag mit der Flut vergleichen? Bald 13 Jahre hielt die Schülerinnen und Schüler der warme Regen der Bildung gefangen. Mal sanft sprühend, mal in dicken Tropfen und mal in einer fast erstickenden Flut. 13 lange Jahre regnete es Lernstoff ohne Unterlass. Was zum guten Gedeihen gedacht war, geriet manchmal zur Flut. Ja, manchmal stand ihnen auch das Wasser bis zum Hals. Doch wie damals in der Arche, rückten die Schülerinnen und Schüler enger zusammen in dieser Zeit. Immer wieder hielten sie Ausschau nach den Sternen. Gespannt warteten sie auf den Moment, wo sich der Himmel über ihnen öffnen würde. Und, wie in der Arche, der Schulalltag war oft eng. Man rieb sich aneinander und war doch in Eintracht beieinander. Manche haben Narben davon getragen. Ecken und Kanten hat jede Arche. Alle werden sie nun bald die Arche verlassen. Und alle werden sich erfreuen an der neuen Weite, die sie gewonnen haben. Hoffentlich auch die, die Federn und Haare lassen mussten. Das Wasser hat zwei Bedeutungen. Es kann bedrohen, uns ertränken oder es macht lebendig, denn ohne Wasser kann nichts wachsen. Wie oft standen Kinder und Eltern an der Schwelle zwischen Regen und Traufe, zwischen Regen der erstickt und dem Regen, der erquickt. Ob dieser Regen erstickt oder erquickt zeigt sich, wenn sich die Wassermassen verlaufen. Wenn die Kronen der Bäume sichtbar werden, wenn die Sonne durchbricht.. Für die Abiturienten bricht die Sonne bald durch. In Kürze beginnt ein ganz neues Teilstück ihres Lebens. Da fliegen sie mit ihren Hoffnungen und Sehnsüchten davon. Wie Noahs Taube, die auf ihrer Suche einen Ölzweig findet. Und wie damals sich der Regenbogen am Himmel zeigte, als ein Symbol für den Neubeginn, Beständigkeit und Hoffnung. So wünschen wir allen Schulabgängern den Regenbogen, der an der Grenze zwischen Flut und Sonne zu finden sein wird.
Einen Kommentar schreiben