Moment Mal

von Pfarrer Marcel Borchers

Die Trommeln geben den Takt vor. Die Trommeln schlagen den Rhythmus und gehen voran. Es folgen ihnen Viele. Die Beine bewegen sich im Takt. Aus vielen kleinen Einzelnen wird ein großes Ganzes. Das große Ganze wird nicht übersehen. Wenn der Zug vorbeikommt, dann bleiben die Menschen stehen und gucken.

Steckt das dahinter? Die Sehnsucht, gesehen zu werden? Steckt dahinter die Sehnsucht, größer zu sein als ich es allein bin? Ich verstehe es nicht. Vor Augen habe ich Bilder aus Plauen von einem Umzug einer Partei, die mich an Bilder aus der Zeit des Nationalsozialismus erinnern. Ich sehe Bilder von Trommeln, die aus vielen Einzelnen eine Masse machen. In braunen Hemden. Ich finde das bedrohlich. Das zuständige Landratsamt findet das nicht.

Gesehen und gehört zu werden, ist ein menschliches Grundbedürfnis. Viele fühlen sich nicht gesehen und gehört. Und die Trommeln schlagen ihren Takt in unsere Ohren.

Aber es gibt viele Trommeln da draußen. Ich bin aufgewachsen in Berlin-Kreuzberg. Deshalb sehe ich, wenn ich an Trommeln auf der Straße denke, zuerst etwas Anderes. Jedes Jahr gibt es dort eine Veranstaltung namens „Karneval der Kulturen“. Viele Kulturen aus der Nähe und aus der Ferne präsentieren sich da in einem Festumzug mit Musik und Tanz. Sehr viele von ihnen benutzen Trommeln. Sie haben verschiedene Rhythmen, zu denen sie aus vielen kleinen Einzelnen zu einem großen Ganzen werden. Sie werden nicht überhört und nicht übersehen. Die Menschen, die am Rand stehen, mögen nicht in jeden Rhythmus einsteigen, aber keiner fühlt sich bedroht. Viele tanzen, keiner marschiert mit krachendem Schritt. Dieser Karneval findet immer am Pfingst-Wochenende statt. Die Kirche feiert an Pfingsten, dass sie die Angst vor einer großen bedrohlichen Masse überwinden konnte. Eine kleine Gruppe, die nicht viele verstanden, die bedroht wurde, waren die ersten Menschen, die Jesus gefolgt sind. An Pfingsten geschieht das Wunder, dass Viele sie verstehen, obwohl sie ihnen fremd waren. Sie erzählen davon, dass sie glauben: Angst und Gewalt werden nicht herrschen, Jesus ist nicht tot geblieben. Er macht den Weg frei für einen Takt des Lebens, den alle Menschen mitmachen können. Die wenigen Christen am Anfang der Kirche bleiben nicht allein. Ich will auch nicht ein kleiner Einzelner bleiben. Ich will nicht überhört werden. Ich will nicht, dass irgendjemand starr vor Angst stehen bleibt, wenn ich vorbeiziehe. Vielleicht will sogar jemand tanzen. Danach suche ich den Takt aus, dem ich folge.

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